82.

Steigt des Weines lichte Sonne

Aus des Bechers Ost empor,

Bringt die Wangenflur des Schenken

Tausend Tulpen schnell hervor;

Und der West auf Rosenhäuptern

Kräust der Hyacinthe Haar,

Wenn der Wohlduft jenes Haares

Auf die Flur gekommen war.

Von des Himmels nied'rem Tische

Hoffe nimmermehr, o Herz,

Einen Bissen zu erhaschen,

Ohne hundertfachen Schmerz.

Klagen über Trennungsnächte

Haben einen eig'nen Ton:

Hundert Bücher nicht enthielten

Nur den kleinsten Theil davon.

Trägst, wie Noë, du geduldig

Einer Sündfluth Missgeschick,

Weicht das Unglück, und es kehret

Hundertjähr'ge Lust zurück.

Zu des Wunsches Perle findet

Eig'ne Mühe nie die Bahn,

Und zu hoffen, dies gelänge

Ohne Beistand, ist ein Wahn.

Weht der Ostwind deiner Gnade

An Hafisens Grab vorbei,

Tönt aus seines Körpers Staube

Hunderttausendmal Juchhei!

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 1, S. 511-513.
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