35.

Zwar ist's nicht schicklich, vor dem Freund

Sein Wissen auszukramen:

D'rum schweigt die Zunge; doch der Mund

Ist voll arab'scher Namen.

Die Peri birgt sich, und der Diw

Lässt Liebesblicke schweifen;

Es kann der staunende Verstand

Dies Wunder nicht begreifen.

Wenn das Geschick für Nied're sorgt,

So frage nicht: wesswegen?

Ist doch im Mangel eines Grund's

Der Grund davon gelegen.

Wer Rosen pflückt auf dieser Flur,

Wird auch den Dorn empfinden,

Wie sich im Lichte Mŭstăfā's

Bŭlĕhēb's Funken finden.

Kein halbes Körnchen gebe ich

Für alle Stiftgebäude:

Die Bank ist mein Palast, der Krug

Mein Sommerhaus der Freude.

Der Rebentochter Schönheit hat

Mein Aug' mit Licht erfüllet,

Sie, die sich, wie das Aug', in Glas

Und zarte Häutchen hüllet;

Sie ist's, die Freudengeberin,

Die jetzt den Schmerz dir heilet,

Sie, die in China's Weingefäss

Und Haleb's Flasche weilet.

Ich hatte tausendfach Verstand

Und Sittlichkeit, o Lehrer!

Nun lad' ich ein zum Gegentheil.

Als trunk'ner Weinverehrer.

Bring' Wein, weil ich, Hafisen gleich,

Ihn stets um Stärkung bitte,

Durch Thränen in der Morgenzeit

Und in der Nächte Mitte.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 1, S. 135-137.
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