40.

Schilt die Zecher nicht, o Frömmler,

Der du schuldlos bist und rein!

Schreibt man doch die Sünden And'rer

Nimmer in dein Schuldbuch ein.

Mag ich gut sein oder böse,

Wandle ruhig deinen Pfad!

Denn am Ende erntet Jeder

Nur die Frucht der eig'nen Saat.

Raube mir die Hoffnung nimmer

Auf die ew'ge Gnade! Ei,

Weisst du denn, wer hinter'm Vorhang

Reizend oder hässlich sei?

Nach dem Freunde sehnt sich Jeder,

Leb' er nüchtern, trink' er Wein;

Liebe haust an jeder Stätte,

Mag's Moschee, mag's Kirche sein.

Bin ich doch der Einz'ge nimmer,

Der der Tugend Haus verliess:

Fahren liess ja auch mein Vater

Einst das ew'ge Paradies;

Und mein Haupt ruht voll Ergebung

Auf des Schenkenthores Stein:

Fasst's der Gegner nicht, so schlage

Ihm ein Stein den Schädel ein!

Schön zwar ist des Himmels Garten,

Doch geniess' – ich rath' es dir –

Auch des Weidenbaumes Schatten

Und des Rain's der Felder hier.

Stütze dich auf Werke nimmer!

Weisst du was am ew'gen Tag

Gottes Rohr zu deinem Namen

Hingeschrieben haben mag?[149]

Nimmst, Hafis, am Todestage

Du ein Glas in deine Hand,

Trägt man aus dem Dorf der Schenke

Stracks dich hin nach Eden's Land.

Folg'st du immer diesem Brauche,

Lob' ich diesen guten Brauch;

Folg'st du dieser Sitte immer,

Lob' ich diese Sitte auch.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 1, S. 147-151.
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