52.

Ohne deiner Wangen Sonne

Blieb mein Tag beraubt des Licht's

Und mir blieb vom ganzen Leben

Nur die längste Nacht, sonst nichts.

Als ich Lebewohl dir sagte,

Weinte Ich, ach, gar so sehr,

Und, entfernt von deiner Wange,

Blieb mein Aug' vom Lichte leer.

Schnell vorbei an meinem Auge

Zog dein Traumbild und es sprach:

»Schade, ach, dass dieser Winkel

Unbebauet blieb und brach

Stets den Tod von meinem Haupte

Scheuchte der Verein mit dir;

Doch durch deine Trennung blieb er

Nimmermehr entfernt von mir.

Nahe rückt jetzt schon die Stunde,

Wo der Nebenbuhler spricht:

»Fern von dir blieb der getrennte

Arme Mann am Leben nicht.«

Wenn der Freund zu mir sich mühet,

Ist's von nun an fruchtlos nur,

Denn mir blieb im wunden Leibe

Nicht die kleinste Lebensspur.

Wenn, getrennt von dir, mein Auge

Ohne Wasser blieb, wohlan!

Mag es Herzensblut vergiessen,

Blieb ihm doch nichts And'res dann.

Die Geduld nur heilt die Leiden,

Die mir deine Trennung schafft;

Doch wie kann Geduld man üben,

Blieb' dazu uns keine Kraft?

Gram nur kennt Hafis und Thränen,

Wird zum Lachen nie bewegt:

Blieb doch keine Lust zu Festen

Dem, der Trauerkleider trägt.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 1, S. 179-181.
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