45.

Durch Lebensfrist schon schreit' ich rüstig

Voll Sehnsucht täglich durch das Land,

Und poch' an eines Edlen Pforte

Beständig mit des Fürspruch's Hand.

Fern meinem Mond, der Liebe wecket,

Soll mir kein Tag vorüberzieh'n:

D'rum stell' ein Netz ich auf die Strasse

Und setz' in's Netz ein Vöglein hin.

Weil des Cypressenbaumes Schatten

Ich Hoffnung nähre zu erspäh'n,

Richt' ich der Liebe Ruf an Jeden

Den holden Gang's ich nah'n geseh'n.

Ich weiss, die Trauer nimmt ein Ende

Und die Geschichte färbt sich bunt

Durch's Ach, das täglich Früh und Abends

So blutig steigt aus meinem Mund.

Ěwrēnk und Gūltschehrē, wo weilt Ihr?

Wo ist der Treu' und Liebe Bild?

Jetzt bin nur ich's der in der Liebe

Als Muster der Vollendung gilt.

Zwar weiss ich, jener Trost des Herzens

Weist meinen Herzenswunsch zurück,

Und dennoch mal' ich Wahngebilde

Und loose auf beständ'ges Glück!

Und hab' ich auch mich selbst verloren,

Verschwörend, wie Hafis, den Wein,

So trink' ich manchmal doch ein Gläschen

In einem geistigen Verein.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 2, S. 321-323.
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