2.

Du an Gestalt so voll von Anmuth

Und Wonne gebend jedem Ort!

Es füllt sich mir das Herz mit Wonne,

Spricht dein Rubin ein Zuckerwort.

An Zartheit gleichet deinem Leibe

Das frische Blatt der Rose nur;

Vom Haupt zum Fusse bist du Wonne,

Zipressen gleich auf Eden's Flur.

Süss ist dein Kosen und dein Trotzen,

Voll Wohlgeschmack dein Maal und Flaum;

Schön ist dein Aug' und deine Braue,

Voll Wonne deines Wuchses Baum.

Nicht nur mein Phantasiegefilde

Füllst du mit Bildern hell und klar,

Auch dem Geruchsinn meines Herzens

Beut Wonne dein Jasminenhaar.

Vor deinem Auge lass mich sterben: –

Wenn gleich Gesundheit ihm gebricht.

Verwandelt's doch den Schmerz in Wonne,

Schaut es dein schönes Angesicht.

Wenn auf dem Liebespfad ich nimmer

Den Unglücksstrom durchwaten kann.

Erfüll' ich mein Gemüth mit Wonne,

Denn deine Reize blick' ich an.

Droh'n in der Wüste, des Verlangens

Gefahren auch an jedem Ort,

Dich liebend, schreitet doch voll Wonne

Hafis, der Herzberaubte, fort.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 2, S. 91-93.
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