2.

Seele, sprich, wer dir gerathen

Nicht zu fragen wie's mir gehe,

Fremd zu thun und nicht zu fragen,

Wie's um die Bekannten stehe?

Weil begabt mit edlen Sitten

Du dich mild erweisest Allen,

So vergib was ich verbrochen,

Frag' auch nicht was vorgefallen.

Willst du, dass die Gluth der Liebe,

Dir erschein' im hellsten Schimmer,

Frag' das Licht um die Geschichte,

Doch den Ostwind frage nimmer.

Von dem Leben der Derwische

Wird wohl Jener nichts verstehen,

Der dir sagte: »Frage nimmer,

Wie es dem Derwisch mag gehen?«

Ford're von dem Kuttenträger

Nie das baare Geld der Lüste:

Frage den Verarmten nimmer,

Ob er Gold zu machen wüsste?

Von Dărā und Alexander

Las ich nichts, weiss nichts zu sagen:

Nur um's Mährchen: »Lieb' und Treue«

Sonst um nichts, sollst du mich fragen.

In dem Buch des Weisheitsarztes

Spricht von Liebe kein Kapitel:

Herz, gewöhne dich an Leiden,

Frage nicht um Heilungsmittel!

Jetzt, Hafis, wo Rosen blühen,

Sollst du nichts vom Wissen sagen

Und das Geld der Zeit benützend

Um's Warum und Wie nicht fragen.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 2, S. 77-79.
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