6.

Mir genügt vom Rosenhain der Erde

Der Besitzer einer Rosenwange,

Mir genügt von dieser Au der Schatten

Der Zipresse mit dem holden Gange.

Ich und Umgang mit der Heuchlerseele?

Fern von mir was so verächtlich wäre,

Denn von dem was schwer ist auf der Erde

Gnügt der Becher mir allein, der schwere!

Mit Palästen wird im Paradiese

Jedes Werk der Frömmigkeit man lohnen;

Mir, dem Zecher und dem Bettelmanne,

Gnügts im Kloster eines Wirth's zu wohnen.

Willst du seh'n, wie schnell das Leben fliehe,

Musst du dich an's Stromesufer setzen:

Uns genüge dieses Warnungszeichen,

Um der Welt Vergänglichkeit zu schätzen.

Sieh des Weltmarkts Baarschaften und halte

Was die Welt an Qualen hegt dagegen:

Und wenn dieser Vor- und Nachtheil nimmer

Dir genügt, mir gnügt er allerwegen.

Da der Freund, der theure, bei mir weilet,

Brauch' ich nicht nach Mehrerem zu zielen:

Mir genügt die Wonne eines Umgang's

Mit der Seele freundlichem Gespielen.

Sende mich um Gotteswillen nimmer

Fort von dir nach jenen Himmelsauen:

Mir genügt's vom ganzen Weltenalle,

Darf ich nur dein theures Dörfchen schauen.

Klagt'st, Hafis, du über Schicksalslaunen,

Mag es wohl an Billigkeit dir fehlen:

Mir genügt ein Inn'res, rein wie Wasser,

Und die Sammlung fliessender Ghaselen.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 2, S. 85-87.
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