10.

Auf das grüne Saatenfeld des Himmels

Und des Neumond's Sichel fiel mein Blick,

Und ich dachte an die eig'nen Felder

Und die frohe Erntezeit zurück;

Und ich sprach: »O Glück, du liegst im Schlummer,

Und doch strahlet schon der Sonne Licht!«

Und er sprach: »Trotz allem Vorgefall'nen

Nähre Hoffnung und verzweifle nicht!«

Wenn du dich zum Himmel aufgeschwungen,

Dem Messias ähnlich, frei und rein,

Dann verleiht dein Fackellicht der Sonne

Einen hundertfachen Strahlenschein.

Baue nicht zu sehr auf die Gestirne,

Diese nächt'gen Diebe, die geraubt

Ke Wchŏsrēwens königlichen Gürtel,

Und die Krone von Kjăwūsens Haupt.

Nicht so stolz gebehrde sich der Himmel,

Denn der Liebe sind für ihren Theil

Um ein Körnlein – lichte Mondesgarben,

Um zwei Körnlein – Plejasähren feil.

Zwar es lastet hindernd auf dem Ohre

Ein Gehäng von Gold und von Rubin:

Doch vergänglich ist die Zeit der Schönheit:

Rath ertheil' ich, und du höre ihn!

Deinem Maale nah' kein Bosheitsauge,

Denn, wo Schach um Schönheit wird gespielt,

Hat's den Stein so siegreich vorgeschoben,

Dass als Pfand es Sonn' und Mond erhielt.

Der Verstellung und der Falschheit Feuer

Setzt des Glaubens Garbe bald in Brand:

Zieh' denn hin, Hafis, doch früher schleud're

Weit von dir dies woll'ne Mönchsgewand!

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 2, S. 489-491.
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