XIII

[41] Denn ein weibliches, unverdorbenes Wesen, auch wenn es selbst durch ungünstige Erfahrungen nur die Dornen, nicht die Rosen der Liebe gekannt hat, weiß sich dennoch keinen anderen Himmel hienieden zu träumen, als den einer glücklichen ehelichen Verbindung.

Mit treuem Antheil, und freudig gerührt, nahm sie daher Erna's Geständnis, daß sie so glücklich sei, als einen Vorboten des noch wichtigeren Bekenntnisses, daß sie liebe, auf, und half ihrer zarten Verschämtheit, ihren mit sich selbst kämpfenden, des Ausdrucks ermangelnden Gefühlen zur Sprache,[41] indem sie sanft ihr entgegen kommend, eigentlich mehr errieth als von ihr erfuhr.

Freilich fehlte noch, um sie als glückliche Braut zu begrüßen, Alexanders förmliche Erklärung. Aber war nicht sein ganzes, Erna so sichtbar auszeichnendes Betragen eine ehrerbietig und liebevoll fortgesetzte Bewerbung der nur das entscheidende Wort fehlte, um bindend auf ewig zu seyn? Und oft sprechen Worte nicht so deutlich, als Handlungen, in denen unwillkührlich sich die Neigung verräth. Er wußte ja die Absichten seiner Tante und der Frau von Willfried – unmöglich hätte er sich bei den Grundsätzen wahrer Ehre, die man an ihm zu bemerken glaubte, dem Schein, in sie einzugehn, geliehen, wenn sie nicht mit den seinigen harmonisch übereinstimmten.

Und konnte er eine edlere Wahl treffen, als die, die diesen Engel an Güte und Herzlichkeit ihm zur künftigen Gefährtin seines Lebens bestimmte? Selbst in conventioneller Hinsicht machte Erna's bedeutendes Vermögen sie zu einer sehr vorzüglichen Parthie, doch seltner noch war der Reichthum ihres Gemüths und ihres Geistes, neben einer Gestalt, die ohne noch zur vollkommenen Schönheit heran geblüht zu seyn, doch schön zu werden versprach, so wie ihre Jugend, und die große Biegsamkeit ihres Charakters nicht bezweifeln ließ, sie werde leicht und geschickt sich in die künstlich geschliffenen[42] Formen der großen Welt fügen lernen, die freilich auf dem Lande ihr fremd geblieben waren.

Alles dies sagte sich Auguste in ihrer innigen Theilnahme an dem künftigen Loose ihres holden Zöglings vor, und Erna mit dem Segen der wärmsten Liebe an ihre Brust drückend, erwartete sie zuversichtlich von den nächsten Tagen die endliche Schürzung des Knotens.

Quelle:
Charlotte von Ahlefeld: Erna. Altona 1820, S. 41-43.
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