3. Scene.

[100] Vorige. Hans. Von hinten links.


HANS. Was ist das. Mein Auge, du lügst, ein andres Bild, schnell ein andres Bild –

MÜNZER. Erkenn' ich recht beim fahlen Schein der zuckenden Blitze – Hans –

HANS. Sie sind es Beide – mir starrt die Zunge –

MÜNZER. Es ist nicht Zeit jetzt Mären zu künden. Ein unglückseliges Mißverständniß hielt mich fern. Soeben komme ich hier an. Seid ihr durch meine Unvorsichtigkeit in's Verderben gerathen, so will ich wenigstens[100] auch mit euch sterben. Schnell, sage mir, wie steht die Schlacht?

HANS. Meister, die Verwirrung kannst du dir nicht vorstellen, als der Feind in's Lager hereinstürmte und Alles nach deinem Zelt sich drängte und der einzige verschwunden war, der um Schlachtplan und Aufstellung wußte. Wie eine Heerde irrender Lämmer drängte sich Alles in Verwirrung durcheinander. Wir in unserem Theile des Lagers merkten indeß nicht viel davon. Allein da war's gerade, daß ich Unglücklicher den Genossen von dem sprach, was nach dem Siege kommen sollte. Als ich von der Neuverteilung des Bodens sprach, da jubelten sie mir Alle zu, doch kaum, daß ich begonnen von der Krone zu reden, die wir dir auf's Haupt drücken wollten, so riefen sie: »Ach, da kommt's! Wir sehen schon, nichts als die alte Kirchenmelodie – die Textworte wechseln, aber Zeitmaaß und Weise bleiben. Nein, wenn wir nur den Herren tauschen sollen, warum dann nicht bei unsern alten Herren bleiben?« Und da stürzte gerade der Landgraf in's Lager und wie sie hörten, daß du von uns gegangen, da schrieen sie: »Hüte jeder seinen Hals!« und empfahlen sich der Gnade des Landgrafen. Und ich stand dabei und weinte feurige Thränen. Jetzt kämpfen sie wider unsere Brüder und sind die wildesten – ich aber durchirrte die dunkle, strömende Nacht und war entschlossen dich zu finden oder den Tod.

MÜNZER. Nun denn, hier bin ich, ich Unglückseliger, ich Verräther – so nimm deine Büchse und schieße mir ein Loth Blei in's Herz. Brot werdet ihr nun nimmer erhalten, so nimm mein Blut –

HANS. Das meine für dich! Könnt' ich je vergessen, was du für mich gethan? Rette dich, Meister, rette das Weib deines Herzens, bevor der Sturm der Feinde auch über diesen Platz fegt. Auch vor den Bauern wäret ihr nicht sicher, wenn sie euch träfen.[101] Kommt, ich will euch mit meiner Brust einen Weg bahnen durchs Gedränge der Schlacht –

MÜNZER. Hans, du willst mich nicht verlassen, der ich doch euch verlassen –

HANS. Du bleibst mein Herr und Meister auch draußen im Elend. Komm, zu gewinnen ist hier nichts mehr – rette deine Braut und laß mich für euch sterben.

MÜNZER. Himmel, giebt es noch Treue in der Welt?


Eine Anzahl Bauern treten auf von rechts hinten.


HANS. Ha, da kommen von den unsern. Diese sind treu, ich kenne sie.

MÜNZER. Freunde, folgt ihr mir in die Schlacht?

BAUERN. Münzer – er ist hier – er hat uns nicht verrathen –

HANS. Alles war Lug und Trug –

BAUERN. Heil Münzer, wir folgen dir, wohin es sei –!

MÜNZER. Wohl, noch bin ich nicht der Aermste! Warum zagen, warum fliehen? Noch fühl' ich selber Muth und Kraft, mit tausend Landgrafen in die Schranke zu treten. So lange noch ein Einziger mir folgt, glaube ich nicht an den Untergang meiner Sache. Folgt mir, im Kampfe gilt allein der Mann, und daß wir Männer sind, wollen wir ihnen beweisen! Ist euer Pulver naß, so schlagt mit Kolben drein; werft nieder, stecht; nur habt kein Erbarmen, denn sie werden auch keines kennen, wenn sie das Glück zu Siegern macht. Laßt seh'n, ob eine Hand voll tapferer Männer nicht einer Schlacht eine neue Wendung geben kann, ob nicht der Feige Muth verliert, wenn er uns kämpfen sieht. Auf, Bauern, es gilt euern Hals, es gilt das Leben eurer Weiber und Kinder, es gilt euer Brot für die Zeit eures Lebens – vorwärts in die Schlacht!

BAUERN begeistert. In die Schlacht![102]

MÜNZER. Leb' wohl, Gerlind! Bleib' dort in jener Hütte! Eine Krone hab' ich in die empörte Brandung geworfen; ich tauche hinein, ich bringe sie zurück, oder du siehst mich niemals wieder. Folgt mir, und seid gewiß: fallt ihr, so öffnet sich euch im Augenblick des Todes die Pforte des Paradieses. Doch ich will vor euch hergehen und mit meinen Armen ihre Kugeln auffangen wie Federbälle, denn in mir ist Gott! Fort in den Kampf und unsere Losung heißt: Sieg oder Tod!

BAUERN. Sieg oder Tod! Ab mit Münzer.

GERLIND allein. Und du glaubst, daß ich allein unthätig in elender Hütte auf dem Stroh lagern werde, indeß hier um die Zukunft gekartet wird? Thäte ich's, wie wenig wäre ich deiner werth! Feuer strömt durch meine Adern, als hätt' ich berauschenden Wein getrunken. Sturm, singe mir mein Brautlied, Geschütze, Donner, ruft den Takt dazu! Glaubt nicht, daß ich schwächer sei als ihr Männer, auch ich kann eine Waffe führen. Nicht du, weiche, milde Gottesmutter, die du dein Kind säugst und für die Gefallenen bittest – du steh' mir jetzt bei, Göttin des alten Heldenvolks, welche du die Menschen die Spindel drehen lehrtest und den Oelbaum pflanzen, doch wo es deinen Himmel zu vertheid'gen galt, auch kraftvoll den Speer und den ehernen Schild schwangst wider die Ungeheuer und Giganten! Ergreift eine auf dem Boden liegende Büchse, dann ab über die Felsen. Nach einer Pause.


Quelle:
Conrad Alberti: Brot! Leipzig 1888, S. 100-103.
Lizenz:
Kategorien: