5. Scene.

[104] Nach einer Pause.


PFEIFER tritt auf von hinten rechts. Verloren, vernichtet, es ist kein Zweifel mehr Alles umsonst, wofür wir gerungen, gekämpft und gelitten. Wieder haben Tausende geblutet für den Schatten eines Schattens! Die Arbeit eines Menschenalters verloren in einer Stunde, da Alles so herrlich stand – durch den Frevelmuth, den Verrath eines geilen Wortbrüchigen, den sein lüsterner Sinn von der Fahne forttrieb, die[104] er selbst aufgepflanzt. Höre mich, du da oben, wenn du vor Alter nicht taub geworden bist, – ist dies Alles nur ein schlechter Scherz, oder gemacht, das Menschenvieh von deiner eignen Ohnmacht zu überzeugen, in die Geschicke der Völker einzugreifen? Er soll hier sein. Ich glaub' es nicht, aber wenn der Zufall ihn mir in den Weg führte – wie wollt' ich euch rächen an ihm, ihr Unglücklichen, die ihr um seiner Buhlerei willen gefallen –

GERLIND außer sich, von rechts über die Felsen. Verloren, rufen sie, verloren, rette sich wer kann, und werfen die Waffen von sich und entlaufen, die Feig linge. So war alles umsonst. Aber er – ich muß ihn finden –

PFEIFER. Eine Stimme, wer hier?

GERLIND. Wer du auch sei'st – sprich – hast du ihn gesehen?

PFEIFER. Wen?

GERLIND. Du fragst! Ihn, den Einzigen, ihn, dessen Namen noch heut Taufende mit Jauchzen und Entzücken nennen, der ein König bleibt selbst in ehernen Ketten –

PFEIFER. Münzer –

GERLIND. Meinen Gatten!

PFEIFER rasend. Seine Dirne, sie ist es, um derenwillen uns all dies Leid getroffen! Also du – du – rollender Donner, verzeih', daß ich meine Hände aufhebe gegen ein Weib – aber diese ist ausgeschlossen allein von dem Vorrecht ihres ganzen Geschlechts –tausendfache Mörderin, Teufelin, Hure – stirb! Zieht seinen Dolch, ersticht sie.

GERLIND fällt. Thomas – Stirbt.

PFEIFER. Bauer, konnt' ich dich schon nicht retten, bist du doch gerächt! – Jetzt nehmt mich auf in euren Schooß, Wogen des Kampfes – ihr Dolche alle, die ihr heut geschwungen, ihr Büchsen alle, die[105] ihr heut geladen, zielt hierher, hier ist ein Herz das sich zu brechen sehnt! Stürzt ab, rechts hinten.

MÜNZER wankt verwundet herein, von oben rechts. Es ist zu Ende. Der letzte Versuch, ihre Reihen zu sprengen mißlang Sie fielen alle, fielen als Helden. Wer kann wider die Uebermacht. Mich Unglückseligen hat allein das Schicksal aufgespart, den Fall der Genossen zu überleben. Mein eignes Werk habe ich selbst zerstört, weh mir!

HANS tritt auf. Wüßte ich nur, wo ich mich befinde, aber man sieht ja kaum die Hand vor den Augen und alles ist eine Blutlache. Die Todten liegen umher, wie die Aepfelblüthen im Mai.

MÜNZER. Da spricht Jemand.

HANS. Meister, seid ihr es?

MÜNZER. Hans, wo bist du? Da? O sieh ich bin verwundet – Hans, ich glaube, ich sterbe! Bah, was liegt daran.

HANS. Um Gottes Willen, Meister, steigt auf meinen Rücken, ich bin noch heil, ich trage euch aus der Schlacht –

MÜNZER. Nein, nein – Du vergissest, daß ich nicht allein bin – daß noch ein Wesen ihr alles auf mich gestellt – erst muß ich wissen, wo Gerlind ist, – wir wollen sie suchen.

HANS. Ja, aber ihr könnt unmöglich so weiter fort. Ihr müßt erst einen Augenblick ruhen – erlaubt! Reißt seinen Hemdkragen ab und verbindet Münzer. Mir scheint, da ist eine Hütte –

MÜNZER. Ich glaube, 's ist dieselbe, in der ich Gerlind zu bleiben befahl –

HANS. Vielleicht, wer will das jetzt Teufelsnacht er kennen. Ueberzeugt euch, geht hinein, ruht einen Augenblick – hier, nehmt eine Decke, Zieht seine Jacke aus. so wie ihr ein wenig gekräftigt seid,[106] suchen wir euer Gemahl – seid unbesorgt, ich halte Wacht.

MÜNZER. Ja, du hast Recht. Will gehen; bricht aber zusammen. Hans, führe mich – ich kann nicht gehen – wie schäme ich mich – Hans –

HANS. Meister, ihr seid ernstlich verwundet –

MÜNZER. Nicht die Wunde ist, was mich niederwirft, nur das Bewußtsein, durch meine Frevel all den Jammer heraufbeschworen zu haben! Rettung wollte ich ihnen bringen, und Tod und verdoppelte Knechtschaft habe ich ihnen bereitet. Ab in die Hütte.

HANS vor der Hütte auf und abgehend. Bah, was, das ist Alles nichts, singen wir uns eins! Singt.

Die bleichen Sterne funkeln

Hernieder durch die Nacht –

Es ist zwar pechfinster, doch was thut's? So steht's einmal im Liede.


Quelle:
Conrad Alberti: Brot! Leipzig 1888, S. 104-107.
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