Die Liebe

[209] Es gibt nur ein Verbrechen meiner Dichter-Seele – – – daß ich Dich nicht liebe!

Ich sage: meiner Dichter-Seele. Denn mit dem Geiste liebe ich Dich, nur, nur Dich!

Ich erkenne Dich an, zu jeder Stunde,

als das intelligenteste, gutmütigste, anhänglichste, liebevollste, anspruchloseste, zarteste, empfindsamste, dankbarste Geschöpf!

Aber die Seele will, sucht, ja verlangt etwas Mysteriöses, ich möchte sagen, Geist-besiegendes,

das keinem noch so guten vom Geiste ausgestellten Zeugnis ähnlich sieht! Ein schmählich besseres!

Für Dich zugrund' geh'n, momentan; vielleicht bereut man es; aber es können! Es können Wollen für Dich, dieses »Aufgeben seines Geistigen«, dieses süß-bittere dumme Verhängnis?!?[209]

Zum Dichter für sie werden, obzwar man's nicht ist, ihr Leben ihr verschönern, erleichtern wollen, obzwar man's nicht kann, sich abmühen, womit man ihr eine Freude machen könnte, eine kleine nichtige lächerliche Freude, obzwar man wichtigere Probleme im Leben zu lösen hätte,

Das ist so das Um und Auf von Begeisterungen,

die nichts mit Geist und Geistigem zu tun haben!

Und wenn Dir eine Geistige sagt: »Pardon, Das will ich ja aber auch gar nicht!«,

so glaub' ihr nicht! Sie will, ich gebe es zu, geistig anerkannt werden,

aber zugleich will sie Dir ganz ebenso ein süßes Mysterium sein!

Quelle:
Altenberg, Peter: Mein Lebensabend. Berlin 1–81919, S. 209-210.
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