Leben

[127] Das Leben hat eine merkwürdige, mysteriöse und eigentlich stupide ewige unentrinnbare Sehnsucht, am Leben zu bleiben, solange als nur irgendmöglich! Wozu, weshalb, Niemand weiß es. Ewig kannst Du Dich ja doch nicht frisch erhalten, und welkend bist Du doch bereits viel mehr wie gestorben! Denke nur an irgendein »Haut-Ekzem«, diesen Beweis »geminderter Lebenskräfte« irgendwie, irgendwarum, irgendwo. Magen, Darm, Seele, was weiß ich?!? Aber Du versuchst es dennoch ununterbrochen, dein von der Natur bereits angekündigtes, diagnostiziertes »Verfallen-sein« noch mit allen absolut unzulänglichen Mitteln aufzuhalten! Zu den »zulänglichen« hast Du nämlich weder Mut noch Intelligenz noch Aufrichtigkeit! Also: Kuren und Ärzte! Das ist noch im Rahmen der »Bourgeoisie«. Die wirklich wirkenden Mittel der säumigen Stoffwechsel-Beförderung sind meistens aus »ethischen Gründen« unmöglich. Hoffe also auf »Talmi«!

Quelle:
Altenberg, Peter: Mein Lebensabend. Berlin 1–81919, S. 127.
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Mein Lebensabend: [Reprint der Originalausgabe von 1919]