Rathauspark

[274] Im Wiener doppelt-geteilten, mit zwei starken, niedrigen, edle Feuchtigkeit spendenden Springbrunnen[274] versehenen Rathausparke, ist fast jeder Baum, jeder Strauch ein besonderes Wunderwerk der Natur inmitten dieser unermeßlichen Un-Natur »Größstadt«! Ahorn, Trompetenbaum, außergewöhnliche tief-grüne und an den Spitzen erbsengrüne Fichten, Jasmin und wilde Rose, und Bäume, die man nie geahnt hat, vielleicht aus Japan oder China. Z.B. Einer mit gelb-rot-grünen Blüten, den Niemand jemals in Europa erblickt hat. Je größer, wunderbarer diese Wunderwerke der »schlicht-bescheiden-selbstverständlich-spendenden« Natur, desto schrecklicher das Wunder, daß es den Besuchern dieses Parkes weder auffällt noch sie rührt. Sie begnügen sich mit Eisensessel, Sonne, Schatten, Ruhe. Niemand ahnt, in welchem Paradiese er sich befindet. Er macht eventuell kostspielige Reisen, aber nicht umsonst hierher. Menschen, Eure Vorurteile wären nicht so schauderhaft, wenn Wir nicht diagnostizieren müßten, daß sie nur an Euch elend ausgehen müssen! Heil Landaufenthalt-Ersatz, vollkommener, Wiener Rathauspark!

Quelle:
Altenberg, Peter: Mein Lebensabend. Berlin 1–81919, S. 274-275.
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Mein Lebensabend: [Reprint der Originalausgabe von 1919]