Gespräch

[268] »Giwril, mein Freund, Du bist mein Folterknecht! Wenn ich mit Dir zusammenkomme, esse ich 24 Stunden lang absolut nichts, trinke nur Eau de[268] Cologne-Wasser. Damit ich die Sicherheit eines idealen Athems habe!«

»Habe ich es verlangt, gewünscht?!«

»Nein, aber auf Deinem bleichen Antlitz liegt die maladie de l'idéal!«

»Maladie?!«

»Maladie! Denn die Gesundheit in uns wäre, die Kraft zu haben, die Unzulänglichkeiten ertragen zu können! Wie die starke Lunge selbst Miasmen ertrüge, während die schwächliche daran krank wird!«

»Nein, meine süsse Freundin, Märtyrerin meiner Liebe! Die Gesundheit ist, die Zulänglichkeiten rastlos zu ersehnen, zu erstreben! An Unzulänglichkeiten erkranken und zugrunde gehen, ist die Gesundheit einer Seele, die als Kranke zu leben zu gesund ist!!«

Quelle:
Peter Altenberg: Was der Tag mir zuträgt. Berlin 12–131924, S. 268-269.
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