Tristan

[271] Ich kenne einen einzigen wirklich glücklichen Liebhaber. ... Tristan auf seinem Sehnsuchts-, seinem Sterbelager!

Den tiefsten, den durch nichts behinderten Zusammenhang mit einem geliebten Weibe hat er da! Was ein Weib einem Manne sein kann, ist Isolde Tristan jetzt!! Sehnsuchts-Fanatismus!

Die latenten Spannkräfte unseres Inneren sind das Maass und der Ausdruck unserer Empfindungen, nicht die »in Bethätigung« erlösten und frei gewordenen Kräfte, die uns nicht mehr angehören!

Tristan, in Sehnsucht sterbend! Die Welten-Liebe, angesammelt in einem Organismus!

Tristan, glücklich liebend? Die Welten-Liebe, sich verbrauchend, sich erschöpfend, sich zerstreuend, sich fortpflanzend!

Tristan sterbend in Isoldens Armen? Nie ward höhere Hochzeit gehalten!

Tristan lebend in Isoldens Armen? Hund und Hündin treffen es noch besser!!

Der Auerhahn, an einem Frühlingsmorgen, während des Liebeslieds in's Herz geschossen!?

Der Auerhahn auf seiner Henne hockend, ziemt lich aufgedunsen und verbraucht!?

Ich wünsche mir das Los des Jäger-Opfers![271]

Quelle:
Peter Altenberg: Was der Tag mir zuträgt. Berlin 12–131924, S. 271-272.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Was der Tag mir zuträgt
Was der Tag mir zuträgt: Fünfundzwanzig neue Studien [Reprint der Originalausgabe von 1901]
Was der Tag mir zuträgt: Auswahl aus seinen Büchern
Was der Tag mir zuträgt; fünfundsechzig neue Studien