Sie begehrt Johannes zu sein und an der Brust Jesu zu ruhen

[179] 1

Du Sabbat aller frommen Seelen,

Du meines Geistes wahre Ruh,

Ich sehne mich in jedem Nu

In dein Umfahung zu verhöhlen.

Ach, laß mich doch Johannes sein,

Schließ mich in deinen Armen ein.


2

Von dir, o Jesu, sein umfangen

Und ruhn an deiner keuschen Brust,

Macht ewge Freud und ewge Lust

Und stillet alle das Verlangen.

Drum laß mich doch Johannes sein,

Schließ mich in deinen Armen ein.
[179]

3

Wie inniglich muß sich ergötzen

Die Seele, die du hast umschränkt!

Wenn sie kein Ding mehr irrt und kränkt,

Kein Feind noch Unglück kann verletzen.

O laß mich doch Johannes sein,

Schließ mich in deinen Armen ein.


4

Ach, daß ich ewig sollte liegen

An deiner Brust, du höchstes Gut!

Es würde meinen Sinn und Mut

Mehr, als ich sagen kann, vergnügen.

Ei, laß mich doch Johannes sein,

Schließ mich in deinen Armen ein.


5

O ewger Sabbat meiner Seele,

Mein Jesu, lasse mir doch zu,

Daß ich an deiner Brust mit Ruh

Sabbatisier und mich verhöhle.

Laß doch auch mich Johannes sein,

Schließ mich in deinen Armen ein.


Quelle:
Angelus Silesius: Sämtliche poetische Werke in drei Bänden. Band 2, München 1952, S. 179-180.
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