Sie verwundert sich über der Liebe im heiligen Sakrament erzeigt

[175] 1

Du Wunderbrot, du wahrer Gott,

Wer kann die Lieb ermessen,

Daß du dich hier selbst gibest mir,

Mit Leib und Seel zu essen.


2

Kein Cherubin, kein Seraphin

Kann je dazu gelangen,

Und ich soll dich wahrhaftiglich

Mit meinem Mund empfangen.


3

O große Gnad, o Wundertat!

O Neigung, hoch zu schätzen!

Was bin denn ich, daß du Herr, dich

Bei mir denkst zu ergötzen?


4

Du hast mich zwar geschaffen gar

Zu deinem Ebenbilde;

Doch weiß ich nicht, wie‘s mir geschicht,

Daß ich dich seh so milde?


5

O Jesu Christ, wie groß du bist,

So groß sind auch die Flammen,

Die deine Lieb aus heißem Trieb

Trägt über mich zusammen.
[175]

6

Ich sag dir Dank mit Lobgesang,

Ich preise deine Güte

Für solche Huld ohn alle Schuld,

Du liebliches Gemüte.


7

Ich ruf dich an, so sehr ich kann,

O Geber und auch Gabe.

Gib mir, daß ich dich würdiglich

In meinem Herzen habe.


Quelle:
Angelus Silesius: Sämtliche poetische Werke in drei Bänden. Band 2, München 1952, S. 175-176.
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