Jesus ist ihr ganz schön

[306] 1

Du bist ganz schön, mein edle Zier,

Du bist ganz schön, mein Leben,

Kein Makel wird gespürt an dir,

Kein Tadel dir gegeben.

Du bist ganz schön, mein einges Licht,

Nichts ist, was dir gebricht.


2

Dein Haupt ist wie das feinste Gold,

Dein Augen wie der Tauben,

Dein Antlitz voller Gunst und Hold,

Voll Kraft das Herz zu rauben.

Wer dich nicht liebt, der muß ein Stein

An Leib und Seele sein.


3

Dein Rosenmund, wenn er sich regt,

Verzückt mir Kraft und Sinnen,

Dein Atem, wenn er mich anschlägt,

Zeucht meinen Geist von hinnen.

Was an der Kehle mich erfreut,

Ist ewge Süßigkeit.
[306]

4

Dein Leib ist weiß wie Helfenbein,

Grad und voll Majestäten,

Er schimmert wie viel edle Stein

In goldnen Panzerketten.

Den Marmelsäuln, von Ziergold reich,

Sind deine Beine gleich.


5

Kurz, du bist gleich wie die Gestalt

Der Zitronatenwälder,

Ausbündig, blühend, mannigfalt

Wie die gestickten Felder.

Wer dich nicht liebt, du schöner Gott,

Der ist lebendig tot.

Quelle:
Angelus Silesius: Sämtliche poetische Werke in drei Bänden. Band 2, München 1952, S. 306-307.
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