Sie begehrt den Brautschmuck von ihrem Bräutigam

[247] 1

Du edler Bräutigam, der du mich neu geboren

Und vor viel tausenden zu deiner Braut erkoren,

Ach laß mich doch empfangen,

Was meine Seele ziert!

Ach laß mich doch erlangen,

Was deiner Braut gebührt.


2

Gib mir dein Eigentum, der weißen Unschuld Kleid,

Gib mir, daß ich stets grün in deiner Grechtigkeit.[247]

Laß mich auf Erden leben,

Wie du gelebet hast,

Und williglich ergeben

Zu tragen deine Last.


3

Pflanz deine Tugenden in meines Herzens Schrein,

Trag deiner Demut Bild und deine Lieb hinein.

Die Keuschheit deiner Seele

Geh ihr'n Geruch in mir

Und deiner Sanftmut Öle

Fließ aus meins Mundes Tür.


4

Streich meine Wangen an mit deinem Rosenblut,

Tu meine Lippen auf mit deiner Reden Flut.

Leg deine Huldestrahlen

In meiner Augen Rund

Und laß mein Haupt ummalen

Mit deinem Dornenbund.


5

Der Speer, der durch dein Herz und Seite hat gemußt,

Sei meines Herzens Trost und Kleinod meiner Brust.

Die Nägel laß mich haben,

Die deine Füß und Händ

Am Kreuz für mich durchgraben

Und Mark und Bein zertrennt.


6

Dein gänzlicher Verdienst sei um mich in gemein,

Mein Gold, mein Perlenschmuck und edeles Gestein.

Auf daß ich kann bestehen,

Wenn du erscheinen wirst

Und mich zu dir erhöhen,

Du ewger Himmelsfürst.

Quelle:
Angelus Silesius: Sämtliche poetische Werke in drei Bänden. Band 2, München 1952, S. 247-248.
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