Scena 5.

[68] Sophia. Eüsebia. Memphus. Justicolus. Nimrodus. Maestidicus.


SOPHIA.

Ach Thisbe, liebe Tochter mein,

Dass ich nicht Tod sol bei dir sein.

Ach macht man mich mit dir hintragn,

So hett ein Ende all mein Klagn.

O Weh vnd Ach mir armen frawn,

Dass ich meinr Tochter end sol schawn.

EÜSEBIA.

Mein Nachbarin, lasst doch ewr Clagn,

Ewr Creutz musst ihr gedultig tragn.

Godt machts wie er wil mit vnss alln,

So hats dem lieben Gott gefalln.[68]

SOPHIA.

Mein hertz im leib wil mir zerbrechn,

Fur Angst ich Kawm ein Wort Kan Sprechn.

Ach herre Godt.

EUSEBIA.

Mein nachbarin,

Schlagts doch ein wenig auss dem Sinn,

Ihr musst ia Gott nicht wiederstrebn,

Der hat ihr nicht gegunt dass lehn.

MEMPHUS.

Ach wie gehts doch zu in der Welt,

Dass ich sol so ein Jungen Helt,

Der ich doch Alt bin, vberlebn

Vnd lang noch hie auff Erden schwebn.

Hett mich der Tod doch hingenomn,

So wer allm Vngluck ich entkomn.

JUSTICOLUS.

Ja Seltzam gnug gehts, das ist war,

Doch musst ihr nicht verzweiffeln gar.

Ihr musset Ja Godt lassen waltn,

Der hat euch Wollen noch erhaltn,

Der hat ewrn Sohn, den Jungen Helt,

Fur euch wolln nemen von der Welt.

Dass ist also der Gottlich will,

Dem musst ihr in dem halten Still.

NIMRODUS.

O Weh vnd ach: zu dieser zeit,

Dass ich erleben muss solch leidt.

Mein einge Tochtr ist fur mir Tod,

Ach wie ists doch so grosse noth.

Hetts so gefalln dem Herren mein,

Ich wolt fur sie gestorben sein.

MAESTIDICUS.

Ach Nachbar, dass hilfft euch gar nicht,

Mit Klagen nichts ist aussgerichtt.

Diess ist So gottes will gewest,

Der weiss wol welches ist dass best.

Zu dem wisst ihr Ja den Bescheidt

Auss Gotteswort, dass Kumpt die zeit,[69]

Darin die Todten auss der Erdn

Erstehn solln vnde lebend werdn,

Alsden werdt ihr euch wieder sehn,

Fur euch ewr Thisben lebend stehn.

SOPHIA.

Ach Godt, hie sol nun in die Erdn

Mein liebe Tochtr geleget werdn.

Ach dass ich nicht sol bleibn bei ihr,

Dass bringt gross pein im hertzen mir.

EUSEBIA.

Seit doch getrost. Ihr wisst Ja wol,

Dass Thisbe wieder leben sol,

Wen Kommen wirt der Jungste tagk.

Kein leid ihr wiederfaren magk.

Wie ihr Am Sontag habt gehort

In dr Kirchen ein Holtselig wort.

Dass Selich alle Todten sein,

Die in dem herren Schlaffen ein.

Ihnn Gar Kein leid mag wiederfarn,

Da Kan Sie Godt wol fur bewarn

Nun Kan man auch wol nemen ab,

Dass sie sich erst befohlen hab

Ihrm Schepfer, vnserm lieben Gott,

Eh sie gelitten hab den Todt.

SOPHIA.

Ess ist abr noch ein lange zeit,

Eh wir widr sehn einander beid.

Indess muss ich Ja bleibn allein

Vnd immerdar im Elend sein.

EUSEBIA.

Nein Nachbarin: Balt wirts geschehn,

Dass ihr ewr Tochter muget sehn.

Drumb gebt euch doch zu fried darin

Vnd schlagt die sorg auss ewrem sinn.

MEMPHUS.

Wolt Godt, dass mich dess Tods gewalt

Auch müchte nur hinnemen balt.

Weil ich mein Sohn nicht haben mag,

Beger ich nun mein End all tag.[70]

JUSTICOLUS.

Memphe, wie mugt ihr doch so Clagn,

Wollt ihr den gantz vnd gar verzagn.

Da euch dass gluck gewogen war,

Kuntt ihr euch wol einhelten zwar,

Dass euch der Stoltz nicht vberwandt.

Weil euch nun vngluck Kumpt zur Handt,

Soltt ihr euch nun nicht Konnen zwingn,

Dass wolt Kein Rhum euch werlich bringn.

NIMRODUS.

Hie sol ich nun mein Tochter lahn

Vnd ihr begrebnis schawen an,

Dass sei im Himmel Gott geclagt.

MAESTIDICUS.

Wie seit ihr doch so gar verzagt?

Konnt ihr euch nicht zufrieden gebn,

Ihr macht euch sawr selbst ewer lebn

Gedencket doch Ihr seit ein man

Ewr Tochter ist gar wol daran,

Sie ist entkommen allem Jamr

Vnd ruhet da in ihrer Kamr.

Drumb lasst vnss wieder gehen hin

Vnd schlagt die Sörg nur aus dem sinn,

Vnd sie alhie nun ligen lassn.

Ich bitt, ihr wollt ein hertze fassn.

NIMRODUS.

Ihr saget da nicht vnrecht an,

Dennoch ichs Ja nicht lassen Kan,

Dass ich sie nicht beclagen solt,

Wen ichs gleich gerne lassen wolt.

JUSTICOLUS.

Ihr herren Nachbarn Höret doch:

Wass wollt ihr hie lang harren noch?

Lasst vns nur hin zu hause gehn,

Da wolln wir ferner bei euch stehn

Mit gutem Trost, mit hulff vnd Raht,

Wie vnser pfarher gleret hat.

MEMPHUS.

Wollan, gut freund, so lasst es sein,

Wir wollen gehn allsampt hinein[71]

Vnd tröstn einander da zu hauss.

Hie wil nichts anders werden drauss.


Quelle:
Drei deutsche Pyramus-Thisbe-Spiele. Tübingen 1911, S. 68-72.
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