Die erste Rachethat.

[205] Von dem Tingfelde ritten Flose und alle Brandstifter mit einander ostwärts nach dem Flußthal. Dort gestattete Flose den Sigfussöhnen, ihre Höfe aufzusuchen, und da er nun erkundete, daß Kaare und Thorgejr mit Gudmund dem Mächtigen nordwärts geritten seien, glaubte er, sie beabsichtigten im Nordlande zu bleiben und ließ die Sigfussöhne sich gute Weile nehmen, um einige Geldsummen einzufordern, die sie verliehen hatten; er bat sie aber, sich wohl zu hüten und sich zu beeilen, so viel sie könnten. Er selbst ritt dann heimwärts nach Svinefjeld. Kaare und Thorgejr hatten indessen nur Gudmund eine Strecke das Geleit gegeben, und als sie sich von ihm verabschiedet hatten, ritten sie wieder südlich über die Thjorsau und weiter über den Markarfluß. Dort trafen sie einige Weiber, welche sie erkannten und sagten: »Ihr tändelt weniger, Ihr beide, als die Sigfussöhne; doch zieht Ihr unbedachtsam einher.« Sie erfuhren nun von den Weibern, wo die Sigfussöhne die letzte Nacht zugebracht hatten, und waren sogleich einig, ihnen nachzusetzen. Weiter ostwärts trafen sie einen Mann, der hatte sein[205] Pferd mit Torfkörben beladen. »Du bist nicht stark genug, Väterchen,« sagte er zu Thorgejr. »Was meinst Du damit?« entgegnete Thorgejr. »Sonst könntest Du auf etwas Jagd machen,« versetzte der Mann; »die Sigfussöhne sind hier vorübergeritten in derselben Richtung wie Ihr, funfzehn Mann an der Zahl.« »Wie lange ist das her?« fragte Thorgejr. »Nicht sehr lange,« erwiderte der Mann, »und es schien nicht, daß sie es eilig hatten. Sie können kaum über die Au gekommen sein, die östlich von hier fließt.« Kaare und Thorgejr ritten nun weiter nach Osten zu. Als sie die Au erreichten, sahen sie gesattelte Pferde an derselben stehen. Sie ritten auf sie zu und erblickten einige Männer, die in einem Thale schliefen, und ihre Speere standen zu ihren Füßen. Sie nahmen nun die Speere und schleuderten sie in die Au. »Sollen wir sie wecken?« fragte Thorgejr. Kaare antwortete: »Darüber bist Du wohl schon selbst mit Dir im reinen, daß Du nicht schlafende Männer überfallen und Meuchelmord üben willst.« So riefen sie sie denn an, und die Männer erwachten und griffen nach ihren Waffen. Kaare aber und Thorgejr drangen nicht eher auf sie ein, als bis sie sich alle gerüstet hatten. Da lief Thorgejr gegen Thorkel Sigfussohn an. Ein andrer der Brandstifter fiel ihn in demselben Augenblick im Rücken an. Thorgejr aber schwang Rimegyge mit beiden Händen; zuerst trieb er den Knopf der Axt dem Manne, der hinter ihm stand, in den Kopf, so daß seine Hirnschale zersplitterte. »Der wäre fertig!« rief Thorgejr, schwang die Axt vorwärts und traf Thorkel in die Schulter und hieb ihm den Arm ab. Inzwischen hatte Kaare sich gegen drei Männer zu wehren, gegen Mörd Sigfussohn, Sigmund Lambesohn und Lambe Sigurdsohn. Lambe kam von hinten und stach mit seinem Speer nach ihm. Kaare aber wurde das gewahr, er sprang in die Höhe und spreizte die Beine, so daß der Speer zwischen ihnen hindurchfuhr und sich in die Erde bohrte; indem Kaare nun wieder den Boden berührte, setzte er den Fuß auf den Speerschaft, und dieser zerbrach. Zugleich jagte er mit der rechten Hand seinen Speer durch Sigmund; derselbe kam ihm zwischen den Schultern wieder hervor und Sigmund stürzte[206] todt nieder. Mit der Linken aber hieb er mit seinem Schwert nach Mörd; er traf ihn in die Hüfte und durchschnitt sie bis tief in den Rücken hinein, worauf jener vornüber sank und auf der Stelle todt war. Im nächsten Augenblick drehte er sich auf den Hacken wie ein Kreisel und wandte sich gegen Lambe, daß dieser sich nur durch schleunige Flucht zu retten vermochte. Da eilte Kaare Thorgejr zu Hülfe. Dieser hatte sich gegen Ledolf den Starken gewandt und beide hatten gleichzeitig nach einander geschlagen. Ledolf's Hieb war stark genug gewesen, ein Stück von Thorgejr's Schild mitzunehmen; dieser aber hatte Rimegyge so gewaltig geschwungen, daß die hintere Spitze Ledolf's Schild gespalten, die vordere dagegen ihm das Schlüsselbein zerschmettert hatte und ihm in die Brusthöhle eingedrungen war. Nun kam Kaare herzu und hieb sogleich Ledolf das Bein ab in der Mitte des Schenkels, daß er umfiel und starb. Da rief Ketil von Mörk: »Laßt uns jetzt zu unsren Pferden eilen; gegen dieser Männer Gewalt vermögen wir nicht zu bestehen!« und die, welche noch am Leben waren, liefen aus Leibeskräften zu ihren Pferden und schwangen sich auf dieselben. »Sollen wir ihnen nicht nachsetzen?« wandte sich Thorgejr an Kaare; »wir können noch einige von ihnen tödten.« Kaare aber antwortete: »Es reitet ein Mann als der letzte, welchen ich nicht tödten will; es ist Ketil von Mörk; wir sind mit zwei Schwestern verheiratet und er hat sich auch früher in unsren Sachen aufs beste benommen.« So bestiegen denn Kaare und Thorgejr ihre Pferde und ritten nach Thorgejr's Wohnung auf Holt. Ketil aber und die neun anderen Brandstifter, die ihr Leben retteten bei diesem Kampfe, ritten geradenwegs nach Svinefjeld und verkündeten, wie viel Unglück sie unterwegs betroffen habe. »Das stand zu erwarten,« äußerte Flose, »und es mag Euch warnen, daß Ihr in Zukunft nie mehr so sorglos einherzieht.«

Quelle:
Die Njalssaga. Leipzig 1878, S. 205-207.
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