Die zweite Rachethat.

[210] Kaare wollte nun nicht länger bei Thorgejr auf Holt verweilen. »Ich werde leicht Blut vergießen,« sagte er, »so lange ich noch nicht die Rache geübt habe, welche ich suche; geschieht es, so wird[210] man gleich meinen, Du steckest unter einer Decke mit mir, und das will ich nicht verantworten. Dagegen wünsche ich, Du mögest Dir mein Gut und mein und Helga Nialstochter's Eigenthum übertragen lassen, sowie auch sie und meine drei Töchter in Deine Obhut nehmen; dann können meine Todfeinde nicht Hand an sie legen oder etwas finden, was sie in Beschlag nehmen.« Thorgejr übernahm sogleich durch Handschlag die Vormundschaft über Kaare's Gut. Kaare selbst aber ritt fort; er führte nur zwei Pferde, seine Waffen und Kleider und etwas baares Geld in Gold und Silber mit sich. Er ritt nach Thorsmark, so hieß ein Strich Waldland am oberen Laufe des Markarflusses. Dort lagen drei Höfe, und auf einem derselben wohnte ein Mann namens Björn Hvide. Sein Großvater war ein Freigelassener von Nial's Mutter Asgjerde gewesen, und sein Weib war verwandt mit Gunnar auf Hlidarende. Sie war um des Geldes willen mit Björn verheiratet worden und sie waren vermögende Leute. Zu ihnen begab sich Kaare, und wurde mit offenen Armen aufgenommen. Am Morgen nach seiner Ankunft sagte Kaare zu Björn, er wolle gern bei ihm Aufenthalt nehmen. »Außerdem möchte ich bitten,« sprach er, »daß Du mit mir ziehen mögest, wohin ich auch gehe; Du hast ein scharfes Auge und bist schnell zu Fuß, und Du wirst auch keine Furcht haben, falls es gilt loszuschlagen.« Björn antwortete: »Du bist wohl nur zu mir gekommen, weil alle anderen Schlupfwinkel Dir versperrt sind; weil Du aber darum bittest, so will ich Dich nicht einem gewöhnlichen Manne gleichachten, sondern Dir in allen Stücken nach Deinem Wunsche behülflich sein; es fehlt mir weder an scharfem Gesicht, noch an Muth und Mannhaftigkeit.« »Der Teufel hole Deine Prahlerei,« versetzte Valgjerde; »ich will Dir gern den Unterhalt darreichen, Kaare, und wessen Du sonst bedarfst; auf Björn's Tapferkeit aber darfst Du nicht allzu sicher bauen.« »Du kommst immer mit Vorwürfen,« erwiderte ihr Björn; »kommt es aber zur That, dann stehe ich niemand nach; das ist ja unzweifelhaft genug, da so wenige es wagen, mit mir anzubinden; sie haben den Muth nicht.« Kaare blieb nun eine Zeit lang auf Thorsmark bei Björn; es erfuhr[211] aber keiner etwas davon. Er ließ Björn seinen Nachbarn mittheilen, er habe ihn nordwärts reiten sehen, und diese glaubten deshalb, er weile bei Gudmund dem Mächtigen in dem Nordlande. Inzwischen begann Flose seine und der übrigen Brandstifter Abreise vorzubereiten. Im östlichen Theile des Landes im Hornefjord kaufte er ein Schiff von einem Thronden und ließ Kol Thorstensohn und Gunnar Lambesohn bei demselben zurück, um es für die Reise auszurüsten, während er selbst zu Hause auf Svinefjeld war. Die Sigfussöhne jedoch wollten nun ihre Höfe im Flußthal aufsuchen, um herbeizuschaffen, was sie für die Reise bedurften. »Jetzt brauchen wir uns nicht vor Kaare in acht zu nehmen, denn er ist ja im Nordlande.« »Auf solche Gerüchte darf man nicht bauen,« sprach Flose, »oft hört man etwas aus nächster Nähe, und es ist dennoch unwahr. Ich habe auch einen Traum gehabt, daß mehrere von Euch abberufen würden.« »Du meinst es gut, wenn Du uns warnst,« versetzte Ketil von Mörk, »aber das Leben des Menschen geht seinen Gang, wie es vom Schicksal bestimmt ist.« Beim Abschied bat Flose sie noch, stets in größerer Anzahl beisammen zu sein und sich wohl zu hüten. Sie küßten ihn, er aber sagte, es seien einige unter ihnen, die er niemals wiedersehen werde. Sie ritten nun fort, achtzehn an der Zahl. Sie nahmen ihren Weg nördlich um den Öfjelds Jökul herum und kamen nach Thorsmark. Björn Hvide sah sie kommen und eilte ihnen entgegen. Sie begrüßten ihn freundlich, und die Sigfussöhne befragten ihn über Kaare. »Ich sprach mit ihm,« antwortete Björn, »aber es ist schon lange her; er ritt damals nach Norden zu. Es schien, als wenn er Euch fürchte; er fühlte sich sehr einsam und verlassen.« »Ihm soll noch mehr angst und bange vor uns werden,« rief Grane Gunnarsohn; »wir fürchten ihn gar nicht, denn jetzt ist er allein.« »Schweig mit Deiner Prahlerei!« versetzte Ketil. Björn aber erfuhr, daß sie etwa eine Woche lang im Flußthal bleiben und dann zurück reiten würden;[212] diese Nachricht theilte er Kaare mit. Nach sechs Nächten wollte Kaare ostwärts reiten. »Laßt uns heimlich durch Flose's Gerichtskreis reiten,« sagte er zu Björn, »ich will mich am Algtefjord nach einer Gelegenheit umsehen, zu Schiffe nach Osten zu kommen.« »Das ist ein sehr gewagtes Unternehmen,« meinte Björn, »nur wenige außer mir und Dir werden dazu den Muth haben.« »Giebst Du Kaare nicht gutes Geleit,« versetzte Valgjerde, »dann sage ich mich von Dir los und geschieden.« »Sei Du nur ruhig, Frau,« erwiderte Björn, »ich werde keine Scheidung zwischen uns veranlassen, ich bin stets muthig und kühn beim Waffenkampf, das können viele bezeugen.« So ritten denn Björn und Kaare ostwärts bis sie zur Skaptau kamen, ungefähr in der Mitte zwischen dem Markarflusse und Svinefjeld, und dort legten sie sich in einen Hinterhalt. Die Sigfussöhne brachen an dem Tage, welchen sie vorher bestimmt hatten, von Hause auf. Auf Thormark fragten sie nach Björn. Valgjerde erzählte, er sei ausgeritten, um einiges Geld einzufordern, und sie glaubten ihr und zogen weiter. An der Skaptau theilten sie sich. Ketil setzte die Reise ostwärts fort, die übrigen aber legten sich nieder, um zu schlafen. Sie merkten nichts, bis Kaare herankam und sie weckte. Er aber eilte sogleich nach einer Landspitze an der Au und bat Björn, hinter ihn zu treten; er dürfe sich aber nicht zu weit nach der Seite hin hervorwagen. »Das hätte ich freilich nicht gedacht,« sagte Björn, »daß ich einen anderen Mann als Schild vor mir haben solle; allein es muß wohl so sein, wie Du es wünschest.« Nun kamen die Gegner herangestürmt. Modolf Ketilsohn war der schnellste. Er stieß mit seinem Speer nach Kaare, dieser aber hielt den Schild vor, so daß Modolf's Speer sich darin festbohrte; dann drehte er den Schild so gewaltsam, daß der Speer brach. Nun zog er sein Schwert und hieb nach Modolf, und dieser hieb entgegen. Kaare's Schwert aber traf das des Modolf am Griff, dieses sprang ab gegen Modolf's Handgelenk und schnitt ihm die Hand ab und darauf drang es ihm zwischen die Rippen, daß er augenblicklich todt umfiel. Grane Gunnarsohn schleuderte einen Speer gegen Kaare, dieser jedoch fing ihn mit der Linken im Fluge auf und warf ihn zurück.[213] Der Speer durchbohrte Grane's Schild und Schenkel und haftete in der Erde, und jener konnte sich desselben nicht eher entledigen, als bis die Seinigen ihm halfen, worauf sie ihn in ein kleines Thal schleppten und ihn mit Schilden zudeckten. Ein Mann gedachte Kaare den Fuß abzuhauen, da aber kam Björn hervor und schlug ihm die Hand ab, worauf er schleunigst wieder hinter Kaare zurücksprang, Kaare aber durchhieb dem Manne beide Hüften. Darauf drang Lambe Sigfussohn auf Kaare ein und schlug nach ihm mit seinem Schwert. Kaare hielt dem Hieb die Fläche des Schildes entgegen, daß Lambes Schwert nicht schnitt, im selben Augenblick aber stieß er ihm sein Schwert unterhalb der Brust in den Leib, daß es ihm zu den Schultern herausdrang und ihm den Tod gab. Ferner sprang Thorsten Gejrlevsohn auf Kaare zu von der Seite her, aber Kaare traf ihn quer über die Schultern und spaltete ihn in zwei Theile. Endlich versetzte Kaare noch dem Bauern Gunnar von dem Hofe Skaal, der in der Nachbarschaft lag, eine tödliche Wunde. Inzwischen hatte Björn drei Männer verwundet, die Kaare anfallen wollten; er war aber niemals so weit hervorgekommen, daß er selbst dabei in Gefahr kam. Er wurde deshalb ebensowenig verwundet wie Kaare, während alle Ueberlebenden unter den Gegnern Wunden aufzuweisen hatten. Sie rannten zu ihren Pferden; Grane ließen sie liegen, wo er lag und sprengten fort. Sie waren so in Furcht gesetzt, daß sie nirgends einen Hof berührten und nirgends das Geschehene verkündeten, sondern sie hielten nicht eher inne mit ihrer Flucht, bis sie nach Svinefjeld kamen. Kaare aber ritt nach Skaal; dort kündigte er sich als den Urheber des Todes der Gefallenen sowie von Grane's Wunden an und sagte, es sei rathsam Grane unter Dach und Fach zu bringen, wenn er am Leben bleiben solle. Dann ritt er mit Björn weiter.

Quelle:
Die Njalssaga. Leipzig 1878, S. 210-214.
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