Flose's Abreise.

[216] Es verstrich nur kurze Zeit bis Flose ostwärts nach dem Hornefjord ritt und alle seine Waaren sowie seine und der Sigfussöhne Reisebedürfnisse dahin führen ließ. Er blieb selbst bei dem Schiffe, bis alles zur Abfahrt bereit war, und als ein günstiger Wind wehte, stachen sie in See. Sie hatten eine lange Ueberfahrt und schlimmes Wetter, wodurch sie gänzlich verschlagen wurden. Einmal[216] bekamen sie drei schwere Sturzseen über Deck, und Flose erklärte, es seien Brandungen, weshalb sie dem Lande nahe sein müßten. Aber es herrschte ein dichter Nebel, so daß sie nichts sehen konnten. Das Unwetter nahm inzwischen zu, und in einer Nacht wurden sie auf den Strand geworfen, ehe sie dessen gewahr wurden. Die Männer wurden geborgen, allein das Schiff war zertrümmert und alles Gut ging verloren. Als es Tag wurde, erkannten zwei von Flose's Mannen das Land und erklärten, sie seien früher dort gewesen; es war eine der Orkneyinseln, mit Namen Rosö (Rowsa). »Dann hätten wir eine bessere Landungsstelle finden können,« meinte Flose, »denn die Nialsöhne Grim und Helge, die ich tödtete, waren Dienstmannen des hiesigen Jarls Sigurd Hlödvesohn.« Doch faßte er endlich den Beschluß, sich in die Gewalt des Jarls zu geben. »Es ist ja nichts anderes zu thun,« äußerte er, »er hat unser Leben in seiner Hand.« Er bedeutete aber die Seinigen, sie dürften nichts erzählen von ihren Thaten, bevor er selbst mit dem Jarl geredet habe. Darauf gingen sie landeinwärts und trafen bald auf einige Männer, die ihnen den Weg nach dem Hofe des Jarls zeigten. Sie traten vor den Jarl, und Flose und alle übrigen grüßten ihn. Der Jarl fragte, was sie für Männer seien, worauf Flose seinen Namen nannte. Der Jarl hatte bereits den Brand von Bergthorshvol erfahren und erkannte die Männer sogleich. »Was hast Du mir zu melden von meinem Dienstmann Helge Nialsohn?« fragte er Flose. »Daß ich ihm das Haupt abgeschlagen habe,« war Flose's Antwort. »Ergreifet sie alle,« befahl der Jarl, und es geschah. In diesem Augenblick jedoch kam einer von des Jarls Dienstmannen herbei, namens Thorsten, welcher ein Sohn Hald's von Sida und ein Bruder von Flose's Frau Stenvör war. Als er sah, daß Flose Gefangener sei, trat er vor den Jarl und bot ihm für Flose alles, was er hatte und besaß. Der Jarl indessen verharrte lange in seinem Zorn. Aber Thorsten war beliebt und es fanden sich deshalb viele brave Männer, die seine Bitte unterstützten und für Flose um Gnade baten. Da nahm der Jarl Flose zu Gnaden an; er schenkte ihm und allen seinen Mannen die Freiheit[217] und folgte dem Brauche mächtiger Männer, indem er Flose in dieselbe Stelle eintreten ließ, die Helge Nialsohn gehabt hatte. So wurde Flose Dienstmann des Jarls Sigurd und setzte sich bald hoch in Gunst bei ihm.

Quelle:
Die Njalssaga. Leipzig 1878, S. 216-218.
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