Mörd's Tingstreit mit Rut.

[17] Als Rut heimkam, war seine Frau verschwunden. Wohl runzelten sich seine Brauen bei der Meldung, doch sagte er kein Wort und hielt sich ein ganzes Jahr lang zu Hause, ohne mit jemand darüber zu reden. Den folgenden Sommer ritt er zum Alting, sein Bruder Höskuld mit ihm, und sie führten viel Mannschaft mit sich. Als Rut zum Ting kam, fragte er, ob Mörd Gige dort sei. Man bejahte seine Frage, indessen redete Rut nicht mit ihm über seine Angelegenheit. Eines Tages aber trat Mörd auf den Versammlungsberg hervor, berief seine Zeugen und brachte eine Klage gegen Rut vor. Er habe eine Forderung an ihn, das Gut seiner Tochter betreffend; Rut müsse ihm 270 Mark Silber an baarem Gelde (etwa 3240 Thlr.) und dazu Buße auszahlen, weil er ihm dasselbe so lange vorenthalten habe. Rut erwiderte ihm: »Mehr aus Geiz und Zanksucht bringst Du diese Klage ein, als aus ehrlicher und männlicher Gesinnung. Dem will ich aber auch entgegentreten, denn Du hast noch nicht das Gut, welches sich in meinen Händen befindet, in Deiner Gewalt. So sage ich denn, so daß alle, die sich auf dem Versammlungsberg befinden, des Zeugen sind, daß ich Dich zum Holmgang fordere. Der Einsatz sei das Gut Deiner Tochter[17] und dem setze ich ebensoviel entgegen. Dem Sieger möge das Gut zufallen; willst Du aber nicht mit mir kämpfen, so erlischt jede Forderung deinerseits auf das Gut.« Mörd schwieg eine Weile und berieth sich mit seinen Freunden über den Holmgang. Jörund Gode sagte: »Du bedarfst nicht unseres Raths in dieser Sache. Kämpfst Du mit Rut, so weißt Du selbst voraus, daß Du Leben und Gut verlierst. Er hat sich wie ein braver Mann benommen und seine Sache steht günstig. Dazu ist er selbst groß und stark und tapfer wie kein zweiter.« Darauf verkündete Mörd laut, daß er nicht mit Rut kämpfen wolle. Da erhob sich ein großes Geschrei und gewaltiger Lärm auf dem Versammlungsberg, und Mörd hatte wenig Ehre davon. Darauf ritten die Männer heimwärts vom Ting. Auf dem Heimwege kehrten die Brüder Höskuld und Rut bei einem Bauer namens Thjostolf ein, um bei ihm zu übernachten. Es war an dem Tage viel Regen gefallen. Die Männer waren durchnäßt und es wurden auf der Mitte der Diele zwischen den beiden Langbänken große Feuer angezündet. Der Hausherr Thjostolf saß zwischen Höskuld und Rut. Auf der Diele aber liefen zwei kleine Knaben umher, welche bei Thjostolf erzogen wurden, und spielten und ein kleines Mädchen spielte mit ihnen. Die Kinder faselten allerlei in kindischem Unverstand. Einer von den Knaben sagte: »Jetzt will ich Mörd sein und Dich zwingen, Dich von Deinem Weibe zu scheiden und ich will das zum Vorwand nehmen, daß Du ihr kein guter Eheherr gewesen bist.« »Und ich will Rut sein,« entgegnete der andere, »und jegliche Forderung deinerseits auf das Gut für nichtig erklären, falls Du nicht mit mir kämpfen willst.« Das wiederholten sie mehrmals, und es erhob sich großes Gelächter darüber unter Thjostolf's Hausgenossen. Höskuld aber wurde zornig und schlug mit einem Stecken nach dem Knaben, welcher sich Mörd nannte; der Stecken traf ihn ins Antlitz und schlug ihn blutig. »Fort mit Dir,« rief Höskuld, »und mache uns nicht zum Spott.« Rut aber rief den Knaben zu sich und dieser kam. Rut zog einen goldenen Ring vom Finger, gab ihm den und sprach: »Geh' hin und beleidige hernach niemand mehr.« »Niemals[18] werde ich Dir vergessen, wie gütig Du gegen mich gewesen bist,« sprach der Knabe dankend und lief fort, Rut aber erwarb sich dadurch einen guten Namen. Darauf zogen sie heimwärts in's Westland und damit nahm der Streit zwischen Rut und Mörd ein Ende.

Quelle:
Die Njalssaga. Leipzig 1878, S. 17-19.
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