Nial's Ritt zum Ting.

[151] Bald nach Höskuld's des Goden von Hvidenes Tod ritten die Nialsöhne zu dem alten Freunde ihres Vaters Asgrim Ellidagrimsohn auf Tunge, der auch Helge Nialsohn's Schwiegervater war. Sie baten ihn um Hülfe, und Asgrim erwiderte, sie hätten Ursache, in allen bedeutenden Angelegenheiten Hülfe von ihm zu erwarten. »Mein Herz aber weissagt Euch nichts Gutes in dieser Sache,« sprach er; »viele werden Klage gegen Euch erheben, und man redet übel von Eurer That in allen Häusern.« Im Verlauf der späteren Zeit fragte sie Nial eines Tages, wie sie und Kaare vorzugehen gedächten. Skarphedin antwortete: »In den meisten Dingen zaudern und bedenken wir uns nicht lange, sondern gehen am liebsten gerade zu. Um es Dir aber mitzutheilen, so wollen wir auf Tunge bei Asgrim Ellidagrimsohn einkehren und von dort zum Ting reiten. Wie aber gedenkst Du zu verfahren, Vater?« »Ich reite zum Ting,« versetzte Nial; »meine Ehre fordert, daß ich mich nicht von Euch trenne, so lange ich lebe. Dort werde ich Euch stets zum Nutzen, niemals zum Schaden sein.« Nial's Pflegesohn Thorhald, ein Sohn von Asgrim Ellidagrimohn, war bei dieser Unterredung gegenwärtig. Er trug einen Mantel mit rothbraunen Streifen. Die Nialsöhne lachten über ihn und fragten, wie lange er denn diesen Mantel tragen würde.[151] Er erwiderte: »Ich werde ihn ablegen, sobald ich wegen des Mords an meinem Pflegevater Klage erheben werde.« Nial sagte darauf: »Du wirst Dich am bravsten erweisen, wenn es am meisten noth thut.« Sie machten sich alle bereit, fortzureiten; sie waren beinahe dreißig Mann stark und ritten, bis sie zur Thjorsau kamen. Hier stießen drei Männer zu ihnen, Söhne von Nial's Halbbruder Holtathore, namens Thorleif Kraak, Thorgrim der Große und Thorgejr Skorargejr; sie boten den Nialsöhnen die Mitfolge und gewaffnete Hülfe an, und ihr Anerbieten wurde freudig angenommen. Sie ritten darauf alle zugleich über die Thjorsau und als sie an das Ufer der Laxau kamen, lagerten sie sich. Dort kam Hjalte Skjeggesohn zu ihnen. Die Nialsöhne nahmen ihn sogleich bei Seite und unterredeten sich lange Zeit leise mit ihm. Hjalte sprach: »Allzeit werde ich zeigen, daß meine Gedanken das Licht nicht scheuen; Nial hat mich um Hülfe gebeten und ich habe sie ihm versprochen. Er hat mich auch im voraus belohnt mit seinen guten Rathschlägen wie viele andre.« Darnach theilte Hjalte Nial Flose's Vorgehen mit. Sie sandten nun Thorhald Asgrimsohn voraus nach Tunge, um Asgrim mitzutheilen, daß sie gegen Abend anlangen würden. Asgrim ließ sogleich alles zum Empfang zurüsten, und als Nial in den Hofplatz einritt, stand er vor der Thür. Nial trug einen blauen Mantel, einen niedrigen Hut auf dem Haupte und eine Handaxt in der Hand. Asgrim half ihm selbst vom Pferde, führte ihn ins Haus und auf seinen Platz, und darauf traten die Nialsöhne und Kaare mit ihrem Gefolge ein, Asgrim aber ging wieder hinaus. Hjalte wollte wieder fortreiten, denn ihm schien, es seien ihrer zu viele drinnen, aber Asgrim ergriff sein Pferd am Zügel und sagte, er würde nicht dulden, daß er fortreite; er ließ das Pferd abführen, führte Hjalte hinein und ließ ihn bei Nial niedersitzen. Thorleif aber und seine Brüder mit ihren Mannen saßen auf der gegenüberstehenden Bank. Asgrim selbst nahm einen Stuhl und setzte sich vor Nial hin. »Was weissagst Du uns über unsre Sache?« fragte er. »Nichts Gutes,« antwortete Nial, »ich fürchte, die haben nur wenig Glück, die daran[152] Theil haben. Aber es wäre mir lieb, mein Freund, wenn Du Deine Tingmannen entbötest und mit uns zum Ting rittest.« »Das habe ich mir selbst vorgenommen,« antwortete Asgrim, »und gebe Dir das Versprechen, daß ich niemals Eure Sache verlassen werde, so lange ich einen Mann mit mir führen kann.« Alle Anwesenden dankten ihm und äußerten, er habe wie ein braver Mann gesprochen. Sie übernachteten nun alle auf Tunge; am folgenden Morgen kamen Asgrim's Tingmannen herbei, und darauf ritten alle weiter, bis sie zum Ting kamen, woselbst sie ihre Hütten zelteten.

Quelle:
Die Njalssaga. Leipzig 1878, S. 151-153.
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