Rache und Vergleich.

[117] Als das Gerücht von Gunnar's Tod sich verbreitete, mißbilligte man die That in allen Gauen, und mancher Mann trug Leid darob. Diejenigen, denen es am meisten nahe ging, waren Nial und die Sigfussöhne. Diese fragten Nial, ob es thunlich sei, die Sache anhängig zu machen. Nial meinte nein, da Gunnar geächtet gewesen sei. »Lieber mögen wir sie in ihrer Ehre kränken, indem wir aus Rache einige von ihnen tödten,« sagte er. Sie warfen einen Hügel auf über Gunnar; die Hellebarde aber wollte Ranvejg nicht zu ihm ins Grab legen lassen; niemand dürfe sie anrühren, es sei denn, daß er Gunnar's Tod rächen wolle. Sie war auch so heftig gegen Halgjerde, daß sie dieselbe beinahe ermordet hätte, denn sie sei es gewesen, die Gunnar's Tod verschuldete, behauptete sie. Halgjerde floh mit ihrem Sohne Grane zu ihrem Schwager Thraen auf Grytaa; es wurde eine Erbtheilung abgehalten und Grane erhielt seinen Theil von den Ländereien, Högne aber blieb auf Hlidarende und behielt Ranvejg bei sich. Er war ein tüchtiger und braver Mann. Bald darauf kam Skarphedin Nialsohn nach Hlidarende, um Högne bei der Rache beizustehen. Einst wollten sie nachts zu diesem Zweck ausziehen und Högne nahm die Hellebarde mit sich. Laut erklang dieselbe, so daß Ranvejg erwachte. »Wer rührt an der Hellebarde?« rief sie voll Zorn; »habe ich doch allen[117] verboten, sie anzurühren!« »Ich will sie meinem Vater bringen,« antwortete Högne, »damit er sie mitnehme nach Walhalla und sie trage auf dem Waffenting.« »Vorerst magst Du sie selbst tragen,« sprach sie, »und Deinen Vater rächen; sie kündete den Tod eines Mannes oder mehrerer.« Damit brachen Skarphedin und Högne auf. Zuerst ritten sie nach einem Hof, wo sie Gejr Gode's Sohn Hroald zu finden glaubten, denn er rühmte sich, Gunnar den Todesstreich gegeben zu haben. Sie trieben das Vieh in die Ställe und dadurch lockten sie Hroald und noch einen anderen Mann hervor. »Hier sind Männer,« rief Skarphedin und streckte den anderen nieder, während Högne den Hroald mit der Hellebarde durchstieß. Hierauf wandten sie sich nach Trehörning. Sie erstiegen das Dach des Hauses und rissen das Gras aus, das dort wuchs. Die, welche drinnen waren, glaubten, es sei das Vieh und kamen hervor. Skarphedin tödtete Starkad und Högne Thorgejr. Endlich suchten sie Mörd auf Hof heim und überfielen ihn plötzlich. Er bat um Frieden unter jeder Bedingung und Skarphedin zwang ihn, Högne über die Bedingungen entscheiden zu lassen, obwohl dieser sagte, er hätte nicht daran gedacht, sich mit dem Mörder seines Vaters zu vergleichen. Jetzt sollten diese neuen Blutthaten auch gebüßt werden, und es wurde ein Gauting abgehalten. Hier aber setzte Nial durch, daß der Ueberfall gegen Gunnar und seine Tödtung angesehen wurde, als wenn er nicht geächtet gewesen wäre. Mörd mußte die Bußen zahlen, und damit kam ein rechtsgültiger Vergleich zu Stande. Später verschaffte Nial Högne eine günstige Heirat, und es herrschte stets unverbrüchliche Freundschaft zwischen ihnen. Schließlich bleibt noch übrig zu erzählen, daß Kulskjäg zu König Svend Tjuguskjäg (dänisch Tveskjäg = Doppelbart) in Dänemark kam und dort Christ wurde. Hernach aber zog er nach Miklagaard (Konstantinopel) und das letzte, was man von ihm erfuhr, war, daß er sich dort verheiratet habe, daß er Anführer[118] des Varägerheeres geworden und dort bis zu seinem Tode geblieben sei.

Quelle:
Die Njalssaga. Leipzig 1878, S. 117-119.
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