Thorgejr Oktelsohn's Tod.

[106] Vom Alting ritt Gunnar ins Westland, denn sein Schwager Olaf Paa hatte ihn zu sich eingeladen. Olaf nahm ihn wohl auf und er blieb dort einen halben Monat lang, besuchte die Gegend weit und breit und wurde überall mit großer Freude empfangen. Beim Abschied sprach Olaf: »Drei gute Dinge will ich Dir schenken, zuerst einen Goldring und einen Mantel, die dem Irenkönig Myrkjartan gehört haben, sodann auch einen Hund, den ich gleichfalls auf Irland bekommen habe; er ist ein ebenso guter Begleiter wie ein rüstiger Mann und hat dazu Menschenverstand, denn er kann jedem ansehen, ob er Dir wohl oder übel will und wird jeden anbellen, von dem er weiß, daß er Dein Feind ist, niemals aber wird er Deine Freunde anbellen. Sein Leben wird er einsetzen, um Dir treu zu sein. Sein Name ist Sam.« Darauf wandte er sich zu dem Hunde und sagte: »Von nun an sollst Du Gunnar folgen und ihm alle Treue erweisen!« und der Hund lief sogleich zu Gunnar und streckte sich nieder zu seinen Füßen. Olaf bat außerdem Gunnar sich in acht zu nehmen,[106] denn er habe viele Feinde, und Gunnar dankte ihm für die Gaben und den Rath und kehrte heim. Nicht lange darnach aber kamen die beiden Namensvettern zu Mörd und machten ihm Vorwürfe ob ihres Verlustes. »Einen neuen Anschlag sollst Du ersinnen,« sagten sie, »der ihn zu Fall bringt.« »Das will ich,« versetzte Mörd. »Du, Thorgejr Otkelsohn, magst Dich mit Gunnar's Verwandten Ormhilde befreunden, dann wirst Du Gunnar noch mehr erbittern und späterhin mögt ihr ihn überfallen, doch dürft ihr ihn nicht auf Hlidarende heimsuchen, denn das frommt nicht, so lange der Hund am Leben ist.« Der Sommer verging; Thorgejr Otkelsohn aber befolgte Mörd's Rath, Ormhilde ließ sich von ihm bethören, und sie hatten den ganzen Winter hindurch heimliche Zusammenkünfte. Gunnar zürnte deshalb Thorgejr noch mehr, aber die Zeit verfloß bis zum folgenden Sommer, ohne daß etwas geschah. Einst brachte Mörd in Erfahrung, daß Gunnar nach den Inseln hinabgeritten war, um die Arbeit seiner Knechte zu beaufsichtigen. Er sandte die Nachricht davon nach Trehörning und Thorgejr ritt mit elf Mann aus nach Kirkeböj. Dort fanden sie zwölf Mann bei dem anderen Thorgejr und nun legten sich die fünfundzwanzig in einen Hinterhalt an der Rangau an einer Stelle, wo Gunnar auf dem Rückwege vorbeikommen mußte. Bald erschien auch Gunnar, von Kulskjäg geleitet; Gunnar führte seinen Bogen mit Pfeilen und die Hellebarde mit sich und Kulskjäg seine kurze Sax und seine volle Waffenrüstung. Als sie ihre Auflaurer erblickten, sprengten sie an ihnen vorbei auf die Furt der Au zu und machten sich fertig zum Kampf. Nun stürmten die anderen auf sie ein, Gunnar aber brauchte sogleich seinen Bogen und verwundete viele und tödtete einige. Thorgejr Otkelsohn feuerte seine Leute an, Gunnar auf den Leib zu rücken, jedoch dieser erhob seine Hellebarde und erschlug einen Mann, während Kulskjäg einem anderen beide Beine abhieb. Darnach wurde der Streit heiß. Gunnar hieb mit der einen Hand und stach mit der anderen, und Kulskjäg schlug wacker um sich und verwundete viele. »Dir sieht man nicht an, daß Du einen Vater zu rächen hast,« rief Thorgejr Starkadsohn seinem Namensvetter[107] zu. »Wahr ist es,« antwortete dieser, »daß ich nur säumig vorging, aber auch Du bist meinen Fußstapfen nur schlecht gefolgt. Doch sollst Du mich nicht mehr hören lassen, daß ich feige sei!« und damit sprang er vorwärts in schwerem Zorn und stieß seinen Speer durch Gunnar's Schild und durch seine Hand. Doch Gunnar drehte den Schild so gewaltsam, daß Thorgejr's Speer unter der Spitze abbrach. Da sah er einen anderen Mann in seiner Nähe und versetzte ihm den Todesstreich, im nächsten Augenblick aber erschaute er Thorgejr dicht vor sich mit erhobenem Schwert. Schnell faßte er die Hellebarde mit beiden Händen und jagte sie Thorgejr durch den Leib und er schwang ihn hoch empor und schleuderte ihn in die Rangau. »Jetzt laßt uns fliehen,« rief sogleich Thorgejr Starkadsohn, »der Sieg ist verloren!« und sein ganzer Haufe, soweit er noch am Leben war, begann zu laufen. »Laßt uns ihnen nachsetzen,« sprach Kulskjäg, »nimm den Bogen und die Pfeile, dann kannst Du auch Thorgejr Starkadsohn treffen.« »Unser Geldbeutel wird schon leer werden, ehe wir für alle diejenigen gebüßt haben, die hier erschlagen liegen,« antwortete Gunnar. »Geld wird Dir niemals fehlen,« sagte Kulskjäg, »aber Thorgejr wird nicht ablassen, ehe er Dich todt sieht.« »Es mögen noch mehr von seinesgleichen an meinem Wege stehen, ich fürchte sie nicht,« erwiderte Gunnar, und darauf ritten sie weiter. Halgjerde freute sich ob der Nachricht, die sie brachten und pries laut ihrer Hände Werk. »Das Werk mag gut sein,« versetzte Ranvejg, »es ahnt mir aber, daß das, was folgt, nicht gut sein wird.«

Quelle:
Die Njalssaga. Leipzig 1878, S. 106-108.
Lizenz:
Kategorien: