Höskuld Thraensohn.

[134] Nial that sein Bestes, um das Unglück abzuwenden, das er in Folge des Unfriedens mit den Sigfussöhnen für sein Haus fürchtete. Eines Tages ritt er nach Mörk und unterredete sich den ganzen Tag lang mit Ketil Sigfussohn. Am Abend ritt er wieder heim, es erfuhr aber niemand, was sie verabredet hatten. Kurz nachher begab sich Ketil nach Grytaa. »Ich habe lange Zeit viel von meinem Bruder Thraen gehalten,« sagte er zu Thorgjerde, »und das will ich nun zeigen; ich erbiete mich dazu, seinen Sohn Höskuld zu erziehen.« »Das nehme ich an,« sprach Thorgjerde, »unter der Bedingung, daß Du ihm alles Gute thuest, was Du vermagst; Du sollst Geld zulegen, wenn er verheiratet wird und sollst ihn rächen, falls er erschlagen wird; und dieses alles sollst Du mir zuschwören.« Ketil that das, und Höskuld ritt mit ihm und weilte eine Zeit lang auf Mörk. Einst ritt Nial wiederum nach Mörk. Er wurde freundlich aufgenommen und blieb die Nacht über dort. In der Dämmerung rief er Höskuld Thraensohn zu sich, und dieser kam alsbald herbei. Nial zeigte ihm einen Goldring, den er an der Hand trug. Der Knabe[134] nahm ihn, beschaute ihn und schob ihn auf seinen Finger. »Willst Du den Ring als eine Gabe von mir annehmen?« fragte Nial, und der Knabe bejahte es. »Weißt Du auch, wer Deinem Vater den Tod gab?« fragte Nial weiter, und jener antwortete: »Ich weiß wohl, daß Skarphedin ihn erschlug, aber daran dürfen wir nicht mehr denken, denn es ist ein Vergleich geschlossen und volle Buße gezahlt.« »Du hast wohl geantwortet,« versetzte Nial, »Du wirst ein braver Mann werden.« »Ich freue mich Deiner Weissagung,« entgegnete der Knabe, »denn ich weiß, Du schauest in die Zukunft und redest keine leeren Worte.« »Ich will Dir anbieten, daß ich Dich erziehe,« sprach Nial, »wenn Du es annehmen willst.« Der Knabe erwiderte, er wolle diese Ehre annehmen, sowie jede andere, die Nial ihm biete, und so geschah es denn, daß er mit Nial zog. Nial selbst hatte ihn sehr lieb, und seine Söhne schlossen sich ihm an und erwiesen ihm jegliche Ehre. Als er heranwuchs, wurde er groß und stark, sehr schön und hatte prächtiges Haar, war leutselig, freigebig und sanftmüthig: er hatte für jedermann ein freundliches Wort und war bei jedermann beliebt, und zwischen ihm und den Nialsöhnen herrschte niemals Zank, weder in Worten noch in der That. Einst sagte ihm Nial, er wolle für ihn ein Ehebündniß zu Stande bringen; Höskuld bat ihn, dafür Sorge zu tragen und fragte, wo er eine Braut für ihn wüßte. »Es ist ein Mädchen da, namens Hildegunne,« antwortete Nial; »sie ist eine Tochter Starkad's, dem Sohn von Frey's Priester Thord. Eine Heirat mit ihr würde eine glückliche sein.« Höskuld erklärte, er sei mit jeder Wahl zufrieden, die Nial für ihn treffen würde. Bald nachher ritt denn Nial mit seinen Söhnen Kaare Sölmundsohn und allen Sigfussöhnen ostwärts nach dem Hofe Svinefjeld, der ungefähr in der Mitte der südöstlichen Küste etwas landeinwärts lag. Dort wohnte nämlich Starkad's Stiefbruder Flose Thordsohn, der ein mächtiger Häuptling war. Nial wurde freundlich aufgenommen, blieb die Nacht über und brachte dann sein Anliegen vor. Er versprach, Höskuld eine ansehnliche Mitgift zu geben. Flose erklärte, er sei damit zufrieden und ließ das Mädchen rufen. Sie antwortete, Flose habe versprochen,[135] sie nur an einen Mann zu verheiraten, der Häuptling und Gode sei. »Das würde genügen, um unsre Absicht zu hintertreiben,« meinte nun Flose, »Dich mit Höskuld zu verheiraten; dann will ich auch nicht mehr daran denken.« »So meine ich es nicht,« versetzte Hildegunne, »nur möchte ich, daß Ihr ihm zu solcher Stellung verhelfet.« Da bat Nial sie, drei Winter zu warten, ob er zu diesem Zweck etwas ausrichten könnte, und das versprachen sie. Nial suchte nun Höskuld die Stellung eines Goden zu verschaffen, aber niemand unter den alten Goden wollte seine Häuptlingsstelle ihm abtreten. In demselben Jahre waren große Streitsachen auf dem Alting beizulegen, und viele Männer suchten wie gewöhnlich Rath bei Nial. Allein niemand vermochte seine Sache nach dem Rath, den er von Nial empfangen hatte, zum Austrag zu bringen, so daß die Männer unverglichen heimreiten mußten. Im nächsten Jahre herrschte deshalb großes Mißvergnügen auf dem Alting und viele äußerten, es nütze wenig, die Sachen dort vorzubringen, sie wollten lieber mit Schwert und Speer ihr Recht heischen. Da trat Nial auf und sagte: »So darf es nicht sein, und es frommt nicht, Gesetz im Lande zu vermissen.« Es sei jetzt erwiesen, meinte er, daß die alte Einrichtung der vier Viertelsgerichte auf dem Alting nicht hinreiche, um dem Rechte seinen Lauf zu lassen. Er schlug darum vor, ein Fünftesgericht zu errichten; demselben sollen alle besonders wichtige Sachen unterworfen sein, und das Urtheil solle dort unter schwereren Eiden und strengeren Formeln gefällt werden. Dieser Vorschlag fand den Beifall des Gesetznenners Skapte Thorodsohn und wurde angenommen von dem Gesetzgericht. Hiernach bedurfte man aber für das Fünftegericht viermal zwölf Richter, und da nun jeder Gode bisher einen Richter bestellte und[136] bisher im ganzen nur dreimal zwölf Richter vorhanden gewesen waren, so war es also nöthig, zwölf neue Goden einzusetzen. Nial schlug daher vor, daß dies geschehen möge, und es solle jedem Mann freistehen, sich von seinem Gerichtskreis, zu dem er bisher gehört habe, loszusagen und sich unter denjenigen der neuen Goden zu stellen, der ihm am meisten zusagte. Als dieser Vorschlag ebenfalls angenommen wurde, bat Nial um die Erlaubniß, für Höskuld Thraensohn auf Hvidenes im Südlande eine Godenstelle errichten zu dürfen. Das wurde ihm zugestanden, so daß für Höskuld's Heirat kein Hinderniß mehr im Wege stand und er mit Hildegunne Hochzeit hielt. Den ersten Winter über blieb er mit ihr auf Bergthorshvol, und Hildegunne vertrug sich gut mit Bergthora. Im nächsten Frühling kaufte Nial Land bei Vorsaböj, nordwestlich von Bergthorshvol zwischen der Thjorsau und der Hvidau, eine Strecke vom Meere entfernt, und übertrug es an Höskuld; auch verschaffte er ihm selbst das Gesinde. Höskuld zog dahin mit Hildegunne und baute sich dort an. Aber es herrschte stets die innigste Freundschaft zwischen ihm und Nial, so daß keiner von ihnen in irgend einer Sache sich gut berathen glaubte, wenn er nicht den andern zuvor befragt hatte. Auch die Nialsöhne verkehrten immerfort mit Höskuld, und sie luden sich gegenseitig ein in jedem Herbst und beschenkten sich reichlich, so groß war die Freundschaft.

Quelle:
Die Njalssaga. Leipzig 1878, S. 134-137.
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