IV.

[155] Helgi empfing Sigrun zur Ehe und zeugte Söhne mit ihr. Aber Helgi ward nicht alt. Dag, Högnis Sohn, opferte dem Odhin für Vaterrache. Da lieh Odhin ihm seinen Spieß. Dag fand den Helgi, seinen Schwager, bei Fiöturlundr (Feßelwald); er durchbohrte Helgi mit dem Spieße. Da fiel Helgi; aber Dag ritt gen Sewafiöll und brachte Sigrun die Zeitung:[155]


Betrübt bin ich, Schwester, dir Trauer zu künden,

Die ich wider Willen zum Weinen brachte.

In der Frühe fiel bei Fiöturlundr

Der Edlinge edelster unter der Sonne.

Viel Fürsten setzt' er den Fuß auf den Hals.


Sigrun.

So sollen dich alle Eide scheiden,

Die du dem Helgi hast geschworen

Bei der Leiptr leuchtender Flut

Und der urkalten Waßerklippe.


Das Schiff fahre nicht, das unter dir fährt,

Weht auch erwünschter Wind dahinter.

Das Ross renne nicht, das unter dir rennt,

Müstest du auch fliehen vor deinen Feinden.


Das Schwert schneide nicht, das du schwingst,

Es schwirre denn dir selber ums Haupt.

Rache hätt ich da für Helgis Tod,

Wenn du ein Wolf wärst im Walde draußen

Des Beistands bar und bar der Freunde,

Der Nahrung ledig, du sprängst denn um Leichen.


Dag.

Irr bist du, Schwester, und aberwitzig,

Daß du dem Bruder Verwünschung erbittest.

Odhin allein hat an dem Unheil Schuld,

Der zwischen Verwandte Zwistrunen warf.


Dir bietet rothe Ringe der Bruder,

Ganz Wandilswe und Wigdalir;

Habe dir halb das Reich dem Harm der Buße,

Spangengeschmückte, den Söhnen und dir.


Sigrun.

Nicht sitz ich mehr selig zu Sewafiöll

Früh noch spät, daß mich freute zu leben,[156]

Es brech ein Glanz denn aus dem Grabe des Fürsten,

Wigblär das Ross renne mit ihm daher,

Das goldgezäumte, den so gern ich umfinge.


So schuf Helgi Schrecken und Angst

All seinen Feinden und ihren Freunden,

Wie vor Wölfen wüthig rennen

Geiße am Berghang des Grauens voll.


So hob sich Helgi über die Helden all

Wie die edle Esche über die Dornen

Oder wie thaubeträuft das Thierkalb springt:

Weit überholt es anderes Wild

Und gegen den Himmel glühn seine Hörner.


Ein Hügel ward über Helgi gemacht; aber als er nach Walhall kam, bot Odhin ihm an, die Herschaft mit ihm zu theilen. Helgi sprach:


Nun must du, Hunding, den Männern all

Das Fußbad bereiten, das Feuer zünden;

Die Hunde binden, der Hengste warten

Und die Schweine füttern eh du schlafen gehst.


Sigruns Magd ging am Abend zum Hügel Helgis und sah, daß Helgi zum Hügel ritt mit großem Gefolge.


Die Magd sprach:

Ists Sinnentrug, was ich zu schauen meine,

Ists der jüngste Tag? Todte reiten.

Die raschen Rosse reizt ihr mit Sporen:

Ist den Helden Heimfahrt gegönnt?


Helgi sprach:

Nicht Sinnentrug ists, was du zu schauen meinst,

Noch Weltverwüstung, obwohl du uns siehst

Die raschen Rosse mit Sporen reizen;

Sondern den Helden ist Heimfahrt gegönnt.[157]


Da ging die Magd heim und sprach zu Sigrun:


Geh schnell, Sigrun von Sewafiöll,

Wenn dich den Volksfürsten zu finden lüftet.

Der Hügel ist offen, Helgi gekommen.

Die Kampfspuren bluten; der König bittet dich,

Du wollest die weinenden Wunden ihm stillen.


Sigrun ging in den Hügel zu Helgi und sprach:


Nun bin ich so froh dich wieder zu finden,

Wie die aasgierigen Habichte Odhins,

Wenn sie Leichen wittern und warmes Blut,

Oder thautriefend den Tag schimmern sehn.


Nun will ich küssen den entseelten König

Eh du die blutige Brünne noch abwirfst.

Das Haar ist dir, Helgi, in Angstschweiß gehüllt,

Ganz mit Grabesthau übergoßen der König;

Die Hände sind urkalt dem Eidam Högnis:

Was bringt mir, Gebieter, die Buße dafür?


Helgi.

Du Sigrun bist Schuld von Sewafiöll,

Daß Helgi trieft von thauendem Harm.

Du vergießest, goldziere, grimme Zähren,

Sonnige, südliche eh du schlafen gehst.

Jede fiel blutig auf die Brust dem Helden,

Grub sich eiskalt in die angstbeklommene.


Wohl sollen wir trinken köstlichen Trank,

Verloren wir Lust und Lande gleich.

Stimme Niemand ein Sterbelied an,

Schaut er durchbohrt die Brust mir auch.

Nun sind Bräute verborgen im Hügel,

Königstochter, bei mir dem todten!


Sigrun bereitete ein Bett im Hügel und sprach:


Hier hab ich ein Bette dir, Helgi, bereitet,

Ein sorgenloses, Sohn der Uelfinge.[158]

Ich will dir im Arme, Edling, schlafen,

Wie ich dem lebenden Könige lag.


Helgi.

Nun darf uns nichts unmöglich dünken

Früh noch spät zu Sewafiöll,

Da du dem Entseelten im Arme schläfst

Im Hügel, holde Högnistochter,

Und bist lebendig, du Königsgeborne!


Zeit ists, zu reiten geröthete Wege,

Den Flugsteg das fahle Ross zu führen.

Westlich muß ich stehn vor Windhelms Brücke

Eh Salgofnir krähend das Siegervolk weckt.


Helgi ritt seines Weges mit dem Geleit und die Frauen fuhren nach Hause. Den andern Abend ließ Sigrun die Magd Wache halten am Hügel. Aber bei Sonnenuntergang, als Sigrun zum Hügel kam, sprach sie:


Gekommen wäre nun, gedächte zu kommen

Sigmunds Sohn aus den Sälen Odins.

Die Hoffnung ist hin auf des Helden Rückkehr,

Da auf Eschenzweigen die Aare sitzen

Und alles Volk zur Traumstätte fährt.


Die Magd.

Sei nicht so frevel allein zu fahren,

Skiöldungentochter, zu der Todten Hütten.

Stärker werden stäts in den Nächten

Der Helden Gespenster als am hellen Tage.


Sigrun lebte nicht lange mehr vor Harm und Leid. Es war Glauben im Altertum, daß Helden wiedergeboren würden; aber das heißt nun alter Weiber Wahn. Von Helgi und Sigrun wird gesagt, daß sie wiedergeboren wären: Er hieß da Helgi Haddingia-Held; aber Sie Kara, Halfdans Tochter, so wie gesungen ist in den Kara-Liedern; und war sie Walküre.

Quelle:
Die Edda. Stuttgart 1878, S. 155-159.
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