I.

[170] Sigurd ging zu Hialpreks Gestüte und wählte sich daraus einen Hengst, der seitdem Grani genannt ward. Da war zu Hialprek Regin gekommen, Hreidmars Sohn. Er war über alle Männer kunstreich, dabei ein Zwerg von Wuchs. Er war weise, grimm und zauberkundig. Regin übernahm Sigurds Erziehung und Unterricht und liebte ihn sehr. Er erzählte dem Sigurd von seinen Voreltern und den Abenteuern, wie Odhin, Hönir und Loki einst zu Andwaris Waßerfall kamen. In diesem Waßerfall war eine Menge Fische. Ein Zwerg, der Andwari hieß, war lange in dem Waßerfall in Hechtsgestalt und fing sich da Speise. »Otur hieß unser Bruder,« sprach Regin, »der fuhr oft in den Waßerfall in Otters Gestalt.« Da hatte er einst einen Lachs gefangen und saß am Flußrand und aß blinzelnd. Loki warf ihn mit einem Stein zu Tode. Da dauchten sich die Asen sehr glücklich gewesen zu sein und zogen dem Otter den Balg ab. Denselben Abend suchten sie Herberge bei Hreidmar und zeigten ihm ihre Waide. Da griffen wir sie mit Handen und legten ihnen Lebenslösung auf: sie sollten den Otterbalg mit Gold füllen und außen mit rothem Golde bedecken. Da schickten sie Loki aus, des Goldes zu schaffen. Er kam zu Ran und erhielt ihr Netz und warf das Netz vor den Hecht und er lief in das Netz. Da sprach


Loki.

Was für ein Fisch ists, der in der Flut rennt,

Kann sich vor Witz nicht wahren?

Aus Hels Hause löse dein Haupt nun

Und schaffe mir glänzende Glut.


[170] Der Hecht sprach:

Andwari heiß ich, Oin hieß mein Vater;

Durch manchen Flußfall fuhr ich.

Früh fügte mir eine feindliche Norne,

Ich sollt im Waßer waten.


Loki.

Sage mir, Andwari, so du anders willst

Bei Menschen länger leben,

Welche Strafe wird Menschensöhnen,

Die sich mit Lug verletzen?


Andwari.

Harte Strafe wird Menschensöhnen,

Die in Wadgelmir waten.

Wer mit Unwahrheit den Andern verlügt,

Ueberlang schmerzen die Strafen.


Loki sah all das Gold, das Andwari besaß. Aber als dieser das Gold entrichtet hatte, hielt er einen Ring zurück. Loki nahm ihm auch den hinweg. Da ging der Zwerg in den Stein und sprach:


Nun soll das Gold, das Gustr hatte,

Zweien Brüdern das Ende bringen

Und der Edelinge acht verderben:

Mein Gold soll Keinem zu Gute kommen.


Die Asen entrichteten dem Hreidmar den Schatz, füllten den Otterbalg und stellten ihn auf die Füße. Da sollten die Asen das Gold darum legen und den Otter hüllen. Aber als es gethan war, ging Hreidmar hinzu und sah ein Barthaar und hieß auch das hüllen. Da zog Odhin den Ring Andwara-Naut hervor und hüllte das Haar.


Loki sprach:

Ich gab dir das Gold, Entgeltung ward dir,

Herliche, meines Hauptes.

Deinem Sohne schafft es keinen Segen:

Es bringt euch beiden den Tod.


[171] Hreidmar.

Gaben gabst du, nicht Liebesgaben,

Gabst nicht aus holdem Herzen.

Eures Lebens wärt ihr ledig,

Wust ich diese Gefahr zuvor.


Loki.

Noch übler ist was zu ahnen mich dünkt,

Der Künftigen Kampf um ein Weib.

Ungeboren noch acht ich die Edelinge,

Die um den Hort sich haßen.


Hreidmar.

Das rothe Gold ist mir vergönnt,

Denk ich, so lang ich lebe.

Deine Drohungen fürcht' ich keinen Deut;

Aber hebt euch heim von hinnen.


Fafnir und Regin verlangten von Hreidmar Verwandten-Buße wegen ihres Bruders Otur. Er aber sagte Nein dazu. Da tödtete Fafnir seinen Vater Hreidmar mit dem Schwerte, da er schlief. Hreidmar rief seinen Töchtern:


Lyngheid und Lofnheid! mein Leben ist aus,

Um Rache traur ich Betrübter.


Lyngheid.

Die Schwester mag selten, wenn der Vater erschlagen ist,

Der Brüder Verbrechen ahnden.


Hreidmar.

Erzieh ein Mädchen, wolfherzige Maid,

Entspringt deinem Schooße nicht ein Sohn;

Gieb der Maid einen Mann, es mahnt die Noth:

So soll ihr Sohn uns Rache schaffen.


Da starb Hreidmar; aber Fafnir nahm das Gold all. Da verlangte auch Regin sein Vatererbe. Aber Fafnir sagte Nein dazu. Da suchte Regin Rath bei Lyngheid, seiner Schwester, wie er sein Vatererbe erlangen solle. Sie sprach:[172]


»Vom Bruder erbitte brüderlich

Das Erb und edlern Sinn.

Nicht steht es dir zu, mit dem Schwerte

Von Fafnir zu fordern das Gut.«


Diese Dinge erzählte Regin dem Sigurd. Jenes Tages, da er zu Regins Hause kam, ward er wohl empfangen. Regin sprach:


Nun ist Sigmunds Sohn gekommen,

Der hurtige Held, zu unserm Haus;

Muth hat er mehr als ich alter Mann:

Bald kommt mir Kampf von dem kühnen Wolf.


Ich habe des heerkühnen Helden zu pflegen,

Der uns ein Enkel Yngwis kam.

Er wird der Männer Mächtigster werden.

Laut umweift die Welt des Schicksals Gewebe.


Sigurd blieb nun beständig bei Regin und da sagte er dem Sigurd daß Fafnir auf der Gnitahaide läge in Wurmsgestalt. Er hatte den Oegishelm, vor dem alles Lebende sich entsetzte. Regin schuf dem Sigurd ein Schwert, Gram genannt: das war so scharf, daß er es in den Rhein steckte und ließ eine Wollflocke den Strom hinab treiben: da zerschnitt das Schwert die Flocke wie das Waßer. Mit diesem Schwert schlug Sigurd Regins Amboß entzwei. Darnach reizte Regin den Sigurd, den Fafnir zu tödten: er aber sprach:


Laut würden Hundings Söhne lachen,

Die um sein Leben Eilimi brachten,

Wenn mich, einen König, mehr verlangte

Nach rothen Ringen als nach Vaterrache.

Quelle:
Die Edda. Stuttgart 1878, S. 170-173.
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