CLXXVI.

[229] 1. Ich stund an einem morgen

heimlich an einem ort;

Da hett ich mich verborgen,

ich hört klägliche wort,

Von einem frewlein hübsch und fein,

das stund bey seinem bulen,

es mus gescheiden sein.


2. Hertzlieb ich hab vernommen,

du wöllest von hinnen schier,

Wenn wiltu wider kommen,

das soltu sagen mir,[229]

So merck feins lieb was ich dir sag,

mein zukunfft thustu fragen,

ich weis weder stund noch tag.


3. Das frewlein weinet sehre,

jhr hertz war unmuts vol,

Nu gib mir weis und lehre,

wie ich mich halten sol,

Ich setz für dich was ich vermag,

und wiltu bey mir bleiben,

Ich verzehr dich jar und tag.


4. Der knab sprach wolgemute,

dein gedancken ich wol spür,

So verzehrten wir dein gute,

ein jahr wer balde herfür,

Dennoch müst es gescheiden sein,

ich wil dich freundlich bitten,

setz deinen willen darein.


5. Das frewlein das schrey morde,

mord uber alles leid,

Mich krencken deine worte,

hertzlieb nit von mir scheid,

Für dich so setz ich gut und ehr,

und solt ich mit dir ziehen,

kein weg wer mir zu schwer.


6. Der knab der sprach mit züchten,

mein schatz ob allem gut,

Ich will dich freundlich bitten,

schlag dirs aus deinem mut,

Gedenck wol an die freunde dein,

die dir kein arges gönnen,

und teglich bey dir sein.


7. Da kehrt er sich herumme,

und sprach nit mehr zu jhr,

Das frewlein das fiel umme,

in einen winckel schier,

Und weinet das es schier vergieng,[230]

das hat ein schlemmer gesungen,

wie es eim frewlein gieng.

Quelle:
[Anonym]: Das Ambraser Liederbuch vom Jahre 1582. Stuttgart 1845, S. 229-231.
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