CCXXVI.

[322] 1. Zu singen steht all mein beger,

von einer königin wunderbar,

Die saß in einem lande so fern,

sie pflag bulschafft, derselben mich nicht lustet : | :

Gros mord geschach durch jren leib,

darumb ich mich zu singen schreib,

Von art war sie ein böses weib,

mit manchem werden man pflag sie jr falsche luste.

Wo sie ein sach der jhr was gleich und eben,

sie schickt nach jm, bot jm bey leib und leben,

So redt sie denn mit jm ohn alle schame,

sprach zu jm trawt freyer held,

zu freundschafft hab ich dich erwelt

dein leib und gestalt mir wol gefelt,

also redt sie mit manches mannes namen.


2. Eins mals blicht sie zum laden aus,

ein jüngling stund wol vor dem haus,

Sie gedacht er geliebet mir vor aus,

sie wincket jm da, das er solt zu jhr kommen : | :

Der jüngling nam gar eben war,

und kam gar heimelichen dar,

Er sprach zart edle fraw klar,

kein man sol sich in ewrem dienst nit saumen.[322]

Zu jm redt die königin hochgeboren,

in meinem dienst so hastu mir geschworen,

Leibeigen bistu mein,

das soltu erkennen,

sprach sich die edle königin reich,

dein willen mach dem meinen gleich,

so wird mein hertz gantz freudenreich,

lieblich begier, die las du zu mir rennen.


3. Die königin war auff jn verbeint,

er wust nit wie sie es damit meint,

Sie hett sich nah mit jm vereint,

er mocht sich gegen jr nit auffenthalten. : | :

Sie blick jm in das hertz hinein,

meins leibs mustu gewaltig sein,

Das beut ich dir bey hoher pein,

der ehren sein, hett er da kein gewalte.

Also must er erleiden frembde sachen,

nun hört wie es sich gen dem tag thet machen,

Deins leibs hab ich begert ist mir worden,

heb dich darvon saum dich nit lang,

das dich der tag nit ubergang,

gar bald er in die kleider sprang,

er wust auch nicht, das jm nachfolgt ein morde.


4. Sie nam jhn felschlich bey der hand,

hin auff ein bret sie jn da sendt,

Da nahet jm sein letztes end,

sie zuckt ein schnur, das bret thet mit jm fallen : | :

Wol in ein wasser ungehewr,

darin verdarb der from und thewr,

Er schwam im graben rieff ungeheur,

das was der falschen königin nur ein schalle.

Darnach thet sie sich aber eins besinne,

sie schickt hin nach eines reichen bürgers kinde,

Irem gebot was er nicht widerspennig,

er kam zu jhr in schneller fahrt,

sie sprach in trewen ich dein wart,[323]

du bist mein blüender mandelgart,

mein edler leib solt dir sein unterthenig.


5. Das beut ich dir bey meiner kron,

das du als bald nun wöllest thun,

Ich las dir weder fried noch son,

all mein begier wil ich an dir volleisten : | :

Der jüngling antwort jhr zur stund,

thundt ewer ehr nit so verwundt,

Ir liegen auff ein bösen fund,

solches ding rahtet euch der böse geiste.

Und wollestu meinem gebot hie widerstreben,

so wiß das es dir kosten mus dein leben,

Der jüngling der was mit sorgen umbfangen,

da er vernam jhr strengigkeit,

er pflag mit jhr der unkeuschheit,

darnach sie jn bald ledig sagt,

es gienge jm, wie es dem ersten was ergangen.


6. Also hett sie zween mord gestifft,

noch weiter sagt uns die geschrifft,

Und wie sie hab mit mord vergifft

noch sieben hübscher jüngling also freye : | :

Wol mit den siebnen ward es neun,

die bracht sie all in todtespein,

Die zahl war jhr noch viel zu klein,

auff den zehenden warff sie jr falsche trewe.

Derselbig war ein student hochgelerte,

im gantzen land seins gleichen nie gehörte,

Er warb umb sie, daran thu ich nicht liegen,

er blickt sie an durch kunstes glaß,

er wist wie sie genaturet was,

jr edle complex sagt jm das,

er wuste wol, das sie jhn nicht kundt betrüben.


7. Sie gewan zu jm gros lieb und gunst,

das bracht er zu wegen mit seiner kunst,[324]

Ir hertz das lag in liebes brunst,

ich bitt dich das du wöllest bey mir wohnen : | :

Die königin hett auff jn gezielt,

ich thu gleich alles was du wilt,

Nach allem wollust bistu gebild,

mein edler leib der sol bey dir grünen.

Er warb umb sie und thet sich zu jr fügen,

er wust wol das sie jn nicht kundt betriegen,

Da lagen sie in freuden alle beyde,

darnach gab er sich auff ein ort,

der student redt mit jr ein wort,

wie sie neun jüngling hette ermordt,

jr falsche lieb bracht jr gros hertzen leide.


8. Die königin ward zornig behend,

mit dem studenten gab sie end,

Sie lies jm binden füß und hend,

und schuff alda das man jn solt ertrencken : | :

Er blickt sie an aus keinem gemüt,

er wust wol das er war behüt,

Darab erschrack jm nie sein geblüt,

man hub jn auff und wolt jn schon versencken.

Händ und füß die wurden jm gebunden,

die strick sprungen auff wol zu derselben stunden,

Er sprang in einen tieffen see gar freye,

darin trat er das wasser stoltz,

er stund auffrecht wie ein boltz,

die königin gehies von jhm viel golds,

wer jhn umbbrecht dem wolt sie wohnen beye.


9. Die bösen knaben gewunnen lust,

auff den studenten man sich rust,

Sie schossen jm nach seiner brust,

dennoch mocht jn kein schiessen nicht verseren. : | :

Im graben schwam er auff und ab,

kein schiessen jm nichts zu schaffen gab,

Die königin redt zu jm herab,

ja hett ich dich, dein kunst wolt ich zerstören.[325]

Er blickt sie an und thet mit worten sprechen,

fraw königin neun jüngling wil ich rechen,

Also las ich mein redt gegen euch bleiben,

behüt euch Gott ich fahr dahin,

in einen wald steht mir mein sinn,

darin ich ewer vogler bin,

als viel ich fah, die wil ich euch zuschieben.


10. Der student schwang sich bald hindan,

jm sahen nach viel weib und man,

Er satzt sich in des waldes plan,

darin fieng er viel vögel mercket eben : | :

Er satzt sich in des waldes band,

viel vögel flogen jm zu hand,

Sie blieben all ohn netz und band,

als viel er fieng, die lies er all bey leben.

Mit jn schwang er sich hoch in die lüfften,

mit seiner kunst thet er gros wunder stifften,

Auff einen thurn hoch lies er sich nider,

mit jm die vogel manigfalt,

die er hett gefangen in dem wald,

sie blieben all in seinem gewalt,

er band sie dar, und beschnit jhn jhr gefieder.


11. Der student war von hertzen fro,

jeglichem vogel schrieb er da

Ein briefflein klein,

das sagt also, item die königin ist ein mörderinne : | :

Die vögel blieben unzertrant,

jeglichem in sein schnabel bandt,

Ein briefflein klein, gar unverwandt,

er schupfft sie hin, wol von des thurnes zinne.

Wol für die königin theten sie sich neigen,

auff die vögel ward man mit fingern zeigen,

Man hub jr etwa manchen auff bey der erde,

man laß die zedel all zu hand,

auffgieng ein offentliche schand,[326]

keiner dorffts thun zum ersten bekandt,

man wolts nit lassen kommen für die werde


12. Man scheuchet hin der vogel schar,

das nam der student eben war,

Erst lies er ander fliegen dar,

der königin gut, gar eben für die augen : | :

Da war einer insonderheit,

balierer für die andern gemein,

Die königin hett an jhm ein freud,

sie griff nach jm, er thet sich zu jr nahen.

Er flog jr auff die hende mit klugem liste,

den zedel falle er zwischen jre brüste,

Sie griff nach jhm der vogel was geschwinde,

er flog gar schnelliglichen hin,

zu seim meister stund jhm sein sinn,

wenn sie zerris mit jrem kin

den zedel gut, als wir nun klerlich finden.


13. Die königin war betrübet sehr,

erloschen was jr königliche ehr,

Ir hend die wand sie hin und her,

sie sprach ich bin mit sorgen gar umbfangen : | :

Ihr sach kam offentlich an tag,

der student fürt die erste klag,

Fraw königin merckt was ich euch sag,

mein nam ist geheissen Albertus Magnus.

Und Albertus heis ich ohn alles wencken,

jr schuffend auch das man mich solt ertrencken,

Da beschirmet mich mein kunst vor ewrem zorne,

da ich im graben schwam und flos,

dasselbig euch gar sehr verdros,

jhr schuffend das man zu mir schos,

sie sprach o wehe das ich je ward geboren.


14. Albertus machet sie do zam,

sie stund vor jhm in grosser scham,

Da ehret er weiblichen nam,

er straffets gütlichen umb jr sünde. : | :[327]

Der arge teuffel gab jr ein,

und da sie wolt verzweiffelt sein,

Albertus halff jr aus der pein,

Gottes erbarmung thet er jr verkünden.

Fraw königin nu habt ein festen mute,

gedencket auch das Gott sein werdes blute,

Vergossen hat umb aller menschen sünde,

dasselb last euch zu hertzen gahn,

ein ware hoffnung solt jhr han,

Gott hat kein sünder nie verlan,

habt rew und leid, gnad thut jhr bey jm finden.


15. Das sey euch warlich zugeseit,

zu hand gewan sie rew und leid,

Wenn sie zerris jr königlich kleid,

und schnit jr an wol einen grawen orden. : | :

Darin büssets achtzehen jahr,

bis Gott ein gnügen fand fürwar,

Gott thet jhr heimlich offenbar,

wie sie abgetilget hett jr sündig morde.

Gott berüfft sie gar bald aus dem elende,

ein engel fron sand er zu jrem ende,

Der fürt sie auff wol in des himmels throne,

Gott hets gar wol in seiner pflicht,

damit endt ich hie mein geschicht,

und beschleus damit das mein gedicht,

macht Martin Schleich, wol in des Speten thone.

Quelle:
[Anonym]: Das Ambraser Liederbuch vom Jahre 1582. Stuttgart 1845, S. 322-328.
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