LXXXIX.

[89] 1. Es war ein wacker megdlein wol gethan,

sie gieng für jres vaters zimmer stahn.

sie sah daraus,

sie sah dahere reiten,

jres hertzen ein trost.


2. Ach megdlein an der wonne,

wie salbet euch die sonne,[89]

das jr seid worden bleich,

hat euch ein ander viel lieber denn ich,

das rewet mich.


3. Warumb solt ich nicht werden bleich,

ich trag alle tag gros hertzeleid,

liebe umb dich,

das du mich verkiesen wilt,

das rewet mich.


4. Warumb solt ich dich verkiesen,

ich hab dich noch viel lieber,

denn alle freunde mein,

ach megdlein las dein sorgen,

und folge du mir.


5. Worinne gieng sie jhm entgegen,

in einem seiden hembdlein,

was wohl genehet, das was so fein,

darin gieng sie geschnieret,

das wacker megdlein.


6. Er nahm sie bey jrer schneeweissen hand,

er fürt sie durch den grüne wald,

da bracht er jr ein zweig,

sie küsset jhn auff seinen roten mund,

das wacker megdlein.


7. Und da es kam zur halben mitternacht,

der gute held wolt urlaub von der schönen magd han,

der gute held,

die trewe die er dir gelobet,

die hielte er nicht.


8. Und were ich weisser denn ein schwan,

ich wolt mich schwingen uber berg und tieffen thal,

und faren uber den Rhein,

und wüsten das alle die freunde mein,

sie singen ein liedlein.


Schönst lieb halt veste,

wie der baum sein este,

Ich las von der liebe nicht abe,

man trag mich denn hin zum grabe.


Quelle:
[Anonym]: Das Ambraser Liederbuch vom Jahre 1582. Stuttgart 1845, S. 89-90.
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