505.

[189] Einsmals beschwehrte sich ein müller über den andern / daß er seinem esel zum schimpff ein ohr abgeschnitten / und wolte er nicht zu frieden seyn / ob sich schon der beleidiger erbote / ihm seinen esel mit zweyen ohren an statt des zerstümmelten zu geben /sondern er klagete bey dem Vice-Re / welcher ihnen beyderseits auferlegte / des folgenden tags mit ihren eseln auf den schloß-platz zu erscheinen / worauf dieses urtheil ausgesprochen wurde. Hat beklagter klägers esel ein ohr abgeschnittē / dieser sich aber mit dem angebotenē abtrag nicht zufrieden stellen wollen / so soll kläger beklagtens esel der gleichen thun / damit sein erlittener schimpff solcher gestalt gerochen werde. Dieses geschahe auch ohne ferneren verzug / worauf sie beyderseits auf die übelzugerichteten esel sitzen / und in begleitung zweyer schergen eine cavalcade durch die gantze[189] stadt neben ein ander verrichten musten / da immittelst der Vice-Re zu seinen bedienten sagte: Also muß man die muthwilligen zäncker bezahlen / welche dem Vice-Re den kopff wegen eines esel-ohres warm machen.

Quelle:
Das Buch der Weisen und Narren oder kluge und einfältige reden und tworten, welche von leuten aus allerhand nationen bey verschiedenen begebenheiten entweder im ernst oder aus schertz vorgebracht worden. Leipzig 1705, S. 189-190.
Lizenz:
Kategorien: