69.

[25] Als Thomas Morus / Cantzler in Engelland / nicht billigte / daß König Henrich der VIII. sich zum oberhaupt der Engelländischen kirche machen wolte /wurde er zum tode verurtheilet / iedoch mit der bedingung / daß ihm biß auf den folgenden morgen zeit gelassen werden solte / sich eines bessern zu besinnen. Nachdem nun die stunde der vollstreckung des urtheils erschienen war / und ihn einer fragte: Ob er seine meynung geändert habe? sagte er: Ja / mein herr / ich hatte erstlich beschlossen / mir die lippen lieber abschneiden zu lassen / als daß ich zum tode gehen solte. Als ich aber nachmals die sache besser überlegete / hielte ichs vor rathsamer / den bart und den kopff zugleich abnehmen zu lassen. Indem aber einer seiner freunde thränen vergoß / kehrte er sich zu ihm und[25] sagte demselben zum trost folgende verse des Petrarcha:


Che più d'ungiorno è la vita mortale,

Nubilo, breve, freddo e pien di noia?

Che può bella parer; ma nulla vale.


Gleicht dieses leben nicht nur einem blosen tage /

Voll nebel / kurtz und kalt / wie auch voll angst und plage?

Es scheint offt schön zu seyn / und taugt im grunde nichts.

Quelle:
Das Buch der Weisen und Narren oder kluge und einfältige reden und tworten, welche von leuten aus allerhand nationen bey verschiedenen begebenheiten entweder im ernst oder aus schertz vorgebracht worden. Leipzig 1705, S. 25-26.
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