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Ein Disputation von der Hell, [34] Gehenna genandt, wie sie erschaffen vnd gestalt seye, auch von der Pein darinnen.

Doctor Faustus hatte wol jmmerdar eine Rew im Hertzen, vnd ein Bedencken, was er sich doch geziegen hette, daß er sich seiner Seelen Seligkeit begeben, vnddem Teuffel also vmb das Zeitliche zu eigen verlobt hatt, Aber sein Rew war Cains vnnd Jude Reuw vnd Buß, da wol ein Rew im Hertzen war, aber er verzagte an der Gnade Gottes, vnnd war jm ein vnmöglich Ding, daß er wider zur Hulde GOttes kündte kommen. Gleich wie Cain, der also verzweiffelte, Seine Sünde weren grösser, denn daß sie jhme verziehen möchten werden, Also auch mit Judas, etc. Dem D. Fausto war auch also, er sahe wol gen Himmel, aber er kondte nichts ersehen, Es Träumete jme, wie man pfleget zu sagen, vom Teuffel oder von der Hellen, das ist, er gedachte was er gethan hatte, vnd meynet jmmerdar durch offt vnd viel disputieren, Fragen vnd Gespräch mit dem Geist, wölle er so weit kommen, daß er einmal zur Besserung, Rew vnd Abstinentz gerahten möchte, Aber es war vergebens, denn der Teuffel hatt jn zu hart gefangen. Hierauff nam D. Faustus jm widerumb für, ein Gespräch vnd Colloquium (dann jme abermals von der Hellen geträumet hatt) mit dem Geist zu halten. Fragte derwegen den Geist, was die Helle sey? Zum andern, wie die Helle beschaffen vnd erschaffen seye? Zum dritten, was für Wehe vnd Klagen der Verdampten in der Helle seye? Zum vierdten vnnd letzten, ob der Verdampte wider zur Hulde Gottes kommen könne, vnd von der Hellen erlöset möchte werden? Dem gab der Geist auff keine Frage Antwort, vnd sprach: Herr Fauste,[34] dein Fragen vnd Disputation von der Hell vnd jrer Wirckung, möchstu wol vnterlassen, Lieber was machstu auß dir selbs? Vnd wenn du gleich in Himmel steigen köndtest, wolte ich dich doch wider in die Helle hinunter stürtzen, denn du bist mein, vnnd gehörest auch in diesen Stall. Darumb lieber Fauste, laß anstehen, viel von der Helle zu fragen, frage ein anders dafür, Dann glaube mir darumb, da ich dirs erzehle, wirdt es dich in solche Rew, Vnmuht, Nachdencken vnnd Kümmernuß bringen, daß du woltest, du hettest die Frage vnterwegen gelassen, Ist derhalben noch meine Meynung, du lassest es bleiben. Doctor Faustus sprach: So wil ichs wissen, oder wil nicht leben, du must mirs sagen. Wolan sagt der Geist, Ich sage dir, es bringt mir wenig Kummer. Du fragest, was die Helle seye?19 Die Hell hat mancherley Figur vnd Bedeutung, dann einmal wird die Helle genannt Hellig vnnd Důrftig, dann der Mensch zu keiner Erquickung vnnd Labung kommen kan, Man sagt auch recht, daß die Helle ein Thal genannt wirt, so nicht weit von Jerusalem ligt, Die Helle hat ein solche Weite vnd Tieffe deß Thals, daß es Jerusalem, das ist, dem Thron deß Himmels, darinnen die Einwohner deß Himmlischen Jerusalems seyn vnd wohnen, weit entgegen ligt, also daß die Verdampten im Wuste deß Thals jmmer wohnen můssen, vnd die Höhe der Statt Jerusalem nicht erreichen können. So wirdt die Helle auch ein Platz genannt, der so weit ist, daß die Verdampten, so da wohnen müssen, kein Ende daran ersehen mögen. So ist die Helle auch genannt die brennende Hell, da alles angehen vnd brennen muß, was dahin kompt, gleich wie ein Stein in einem feuwrigen Ofen, ob wol der Stein vom Feuwer glüendt wirdt, so verbrennt oder verzehrt er sich dennoch nicht, vnnd wirt nur härter davon. Also wird die Seel deß Verdampten jmmerdar brennen, vnd sie doch das Fewer nit verzehren können, sondern nur mehr Pein[35] fühlen. So heißt die Hell auch ein ewige Pein, die weder Anfang, Hoffnung noch Ende hat, Sie heißt auch ein Finsternuß eines Thurns, da man weder die Herrligkeit Gottes, als das Liecht, Sonn oder Mond sehen kan, Wann dennoch allda nur ein Helle oder Liecht, wie bey euch die finstere dicke Nacht, so hette man doch die hoffnung eines Scheins. Die Helle hat auch eine Klufft, Chasma genannt, gleich eins Erdbidems, da er denn anstösset, gibet er eine solche Klufft vnnd Dicke, das vnergründlich ist, da schüttet sich das Erdreich von einander, vnd spüret man auß solcher Tieffe der Klufften, als ob Winde darinnen wehren, Also ist die Helle auch, da es ebenmässigen Außgang hat, Jetzt weit, dann eng, dann wider weit, vnd so fortan. Die Hell wirdt auch genannt Petra, ein Felß, vnnd der ist auch etlicher massen gestalt, als ein Saxum, Scopulus, Rupes vnd Cautes, also ist er. Dann die Helle also befestiget, daß sie weder Erden noch Steine vmb sich hat, wie ein Felß, Sondern wie Gott den Himmel befestiget, also hat er auch einen Grundt der Hellen gesetzt, gantz hart, spitzig vnd rauch, wie ein hoher Felß. Sie wirdt auch Carcer genannt, da der Verdampte ewig Gefangen seyn muß: Weiter wirt sie genennet Damnatio, da die Seele in die Helle, als in ewige Gefängnuß, Verurtheilt vnnd Verdampt wirt. Dann die Vrtheil also, wie an öffentlichem Gericht, vber die Vbelthäter vnnd Schůldigen gesprochen wirdt. So heißt sie auch Pernicies vnd Exitium, ein Verderbnuß, da die Seelen ein solchen Schaden leyden, der sich in Ewigkeit erstreckt. Also auch Confutatio, Damnatio, Condemnatio, vnd dergleichen, ein Verwerffung der Seelen, da sich der Mensch in eine solche Klufft vnnd Tieffe selbs hinab wirfft, gleich wie einer, der vff einem Felsen oder Höhe gehet, vnnd zu Thal herab sihet, daß jme schwindelt. Es gehet aber der Mensch, der Verzweiffelt ist, nicht dahin, daß er die Gegend besehen möchte, doch je höher er auffsteiget, vnnd begert sich herab zu stürtzen, je tieffer[36] herab er fallen muß, Also hat es mit den verdampten Seelen auch eine Gestalt, die in die Helle geworffen werden, je mehr einer sündiget dann der ander, je tieffer er hinunter fallen muß. Endtlich ist die Helle also beschaffen, daß es vnmöglich, sie außzuspeculieren, vnd zubegreiffen, Wie Gott seinen Zorn also gelegt habe, in ein solchen Orth, der da ein Gebäuw vnnd Erschaffung für die Verdampten ist, also daß sie viel Namen hat, Als ein Schandtwohnung, ein Schlund, Rach, Tieffe vnnd vnderste der Helle, dann die Seelen der Verdampten müssen nit allein in Wehe vnd Klag deß ewigen Feuwers sitzen, sondern auch Schand, Spott vnd Hohn tragen gegen Gott vnd seinen Heyligen, da sie in Wohnung deß Schlunds vnd Rachens seyn müssen. Dann auch die Helle ein solcher Schlund ist, der nit zu sättigen, sondern giennet jmmer noch mehr auff die Seelen, die nit Verdampt, daß sie auch Verführet vnd Verdampt möchten werden. Also mustu es D. Fauste verstehen, dieweil du es je hast haben wöllen. Vnnd mercke, daß die Helle ist ein Helle deß Todes, ein Hitz deß Feuwers, ein Finsternuß der Erden, ein Vergessung alles Guten, der Enden nimmermehr von GOtt gedacht, sie hat Marter vnd Wehe, vnd ewig vnerleschlich Fewer, ein Wohnung aller Hellischen Drachen, Würme vnd Vngeziffer, Ein Wohnung der verstossenen Teuffel, Ein Stanck vom Wasser, Schwefel vnnd Pech, vnnd aller hitzigen Metall. Vnd diß sey mein erster vnd anderer Bericht.

Zum dritten, so bannest du mich, vnnd wilt von mir haben, dir einen Bericht zu thun, was für Wehe vnd Klage die Verdampten in der Hell haden oder haben werden. Da soltu etwan, mein Herr Fauste, die Schrifft ansehen, denn es mir verborgen ist. Aber wie die Helle jämmerlich anzusehen vnd qualificiert, also ist auch darinnen ein vnträgliche Pein vnd Marter, Darumb ich dir desselben bericht thun wil, Es wirdt den Verdampten, wie ich oben mit allen Vmbständen erzehlet habe, also begegnen.[37] Denn es ist war, wie ich dir versprich: Die Helle, der Frawen Bauch, vnd die Erden werden nimmer satt, Also wirdt kein Ende noch Auffhören nimmer da seyn, darauff werden sie Zittern vnnd Weheklagen vber jre Sünde vnnd Boßheit, Auch vber den Verdampten vnnd Hellischen Grewel deß Stancks, verhindernuß vnd Schwachheit, Schreyen vnd Weheklagen. Da wirt ruffen zu GOtt seyn, mit Wehe, Zittern, Zagen, Gilssen, Schreyen, mit Schmertzen vnnd Trübsall, mit Heulen vnd Weinen, Denn solten sie nit Wehe schreyen, Zittern vnd Zagen, dieweil alle Creaturen vnnd Geschöpff Gottes wider sie seyn werden, vnd sie ewige schmach, hergegen aber die Heyligen ewige Ehr vnd Frewde tragen werden? Vnd es wirt doch ein Wehe vnd Zittern viel grösser vnd schwerer seyn, als das ander, vnd das daher, dieweil die Sünde vngleich, seyn auch die Strassen vngleich. Die Verdampten werden auch klagen vber die vnleidenliche Kälte, vber das vnaußleschliche Fewer, vber die vnträgliche Finsternuß, Gestanck, vber die ewige Ruten, vber die Gesichter der Teuffel, vber die Verzweiffelung alles Guten. Sie werden Klagen mit weinenden Augen, Knirschen der Zänen, Stanck der Nasen, Jämmern der Stimme, Erschreckung der Ohren, Zittern der Händ vnd Füß. Sie werden für grossem Schmertzen jre Zungen fressen, sie werden jhnen den Todt wündschen, vnnd gerne Sterben wöllen, Sie mögen aber nit, denn der Todt wirdt von jnen fliehen, jhre Marter vnnd Pein wirt täglich grösser vnnd schwerer. Also, mein Herr Fauste, hastu hiemit die dritte Frage, die mit der Ersten vnnd Andern vberein stimmet.

Zum vierdten vnnd letzten, wiltu von mir auch eine Frage haben, die zu GOtt stehet, Ob Gott die Verdampten wider zu Gnaden auffnemme oder nicht? Aber dem sey nun wie jhm wölle, so wil ich auff deine Frage bericht zu thun, zuuor die Helle vnd jr Substantz ansehen, vnd wie sie von Gottes Zorn erschaffen ist, was melden,[38] vnd sehen, ob wir auch etliche Fundamenta gründen kůndten. Wiewol lieber Herr Fauste, solches deiner Promission vnd Gelübdnuß stracks zu wider seyn wirt, Sey dir doch hierauff dieser Bericht gethan. Du fragest letzlich, ob die Verdampten wider zur Hulde vnnd Gnade Gottes kommen können? Darauff antworte ich, Neyn. Denn alle, die in der Helle sind, so Gott verstossen hat, die müssen in Gottes Zorn vnnd Vngnade ewig brennen, darinnen bleiben vnd verharren, da keine Hoffnung nimmermehr ist, Ja wenn sie zur Gnade Gottes kommen köndten, wie wir Geister, die wir alle Stund hoffen vnd warten, so würden sie sich freuwen, vnnd nach solcher Zeit seufftzen. Aber so wenig die Teuffel in der Helle können jhren Vnfall vnnd Verstossung verhoffen zur Gnade zu kommen, So wenig können die Verdampten auch, dann da ist nichts zu hoffen, es wirt weder jr Bitten, Anruffen noch Seufftzen erhört werden, vnd wirdt jnen jr Gewissen auffwachen, vnd jmmer vnter die Augen schlagen, Als ein Keyser, König, Fürst, Graff oder sonsten Regenten, werden Klagen, wann sie nur nit Tyrannisiert hetten, vnd hie im Leben nit allen Mutwillen getrieben, so wolten sie zur Hulde Gottes kommen. Ein Reicher Mann, wenn er nur nicht Gegeitzet hette, Ein Hochfertiger, wenn er nur nit Pracht getrieben, Ein Ehebrecher vnnd Buler, wenn er nur nit Vnzucht, Ehebruch vnd Vnkeuschheit geübet, Ein Weinsäuffer, Fresser, Spieler, Gotteslästerer, Meyneydiger, Ein Dieb, Strassenräuber, Mörder, vnd dergleichen, wird gedencken, Wann ich nur mein Bauch nicht täglich mit Vppigkeit, Wollust vnnd Vberfluß der Speiß vnd Tranck gefüllet, wenn ich nur nicht Gespielet, Gott Gelästert, ein Meyneydt gethan, Gestolen, Geraubet, Gemordt, oder dergleichen Laster getrieben hette, so köndte ich noch Gnade hoffen, Aber meine Sünde sind grösser, denn daß sie mir köndten vergeben werden, darvmb ich diese Hellische wol verdiente Straff vnd Marter leyden, ewiglich Verdampt seyn muß, vnd kein Huld oder Gnade bey Gott zu erlangen, zuhoffen habe.[39]

Darumb soltu, mein Herr Fauste wissen, daß die Verdampte auff kein Ziel oder Zeit zuhoffen haben, darinnen sie auß dieser Quaal erlößt werden möchten, Ja wann sie nur eine solche Hoffnung haben köndten, daß sie täglich nur ein Tropffen Wasser auß dem Meer herauß schöpffen, biß das Meer gar trucken würde, Oder da ein Sandhauff so groß were biß an Himmel, vnd ein Vögelein alle Jahr nur ein Körnlein einer Bonen groß darvon hinweg trüge, daß alsdann nach verzehrung desselbigen, sie erlößt werden möchten, so würden sie sich dessen erfreuwen. Aber da ist keine Hoffnung, daß Gott an sie gedencken, oder sich jrer Erbarmen werde, Sondern sie werden in der Hellen liegen wie die Todtenbein, der Todt vnnd jhr Gewissen wirdt sie nagen, jhr hart Zuversicht vnnd Vertrauwen, so sie erst zu Gott haben, wirt nicht erhört, noch an sie gedacht werden. Ja wenn du dich schon in der Helle köndtest verbergen, biß daß alle Berge zusammen vber einen hauffen fielen, vnd von einem ort zum andern versetzt würden, Ja biß alle Stein im Meer trucken würden, So wenig ein Elephant oder Cameel durch ein Nadelöhr gehen kan, Vnnd alle Tropffen deß Regens gezehlt werden mögen, so ist doch kein Hoffnung der Erlösung vorhanden. Also kürtzlich, mein Herr Fauste, hastu den vierdten vnnd letzten Bericht, Vnnd solt wissen, fragstu mich ein ander mal mehr von solchen Dingen, so soltu kein Gehör bey mir haben, denn ich bin dir solches zusagen nit schüldig, vnnd laß mich nur mit solchen Fragen vnnd disputationibus weiter zu frieden.

D. Faustus gieng abermals gantz Melancholisch vom Geist hinweg, wardt gar Verwirret vnd Zweiffelhafftig, gedacht jetzt da, dann dorthin, trachtete diesen dingen Tag vnnd Nacht nach, Aber es hatte kein bestandt bey jme, Sondern wie oben gemeldet, hat jhn der Teuffel zu hart Besessen, Verstockt, Verblendt vnd Gefangen. Zu dem, wann er schon allein war, vnd dem Wort GOttes nachdencken wolte, schmücket sich der Teuffel in gestalt einer[40] schönen Frawen zu jme, hälset jn, vnd trieb mit jm all Vnzucht, also daß er deß Göttlichen Worts bald vergaß, vnd in Windt schluge, vnnd in seinem bösen Fürhaben fartfuhre.

Quelle:
Historia von D. Johann Fausten. In: Das Volksbuch vom Doctor Faust. Halle a.d.S. 21911, S. 34-41.
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