CLIV. Das übelgelungene Spiel.

[336] Nachfolgende Historie ist noch merckwürdiger: Ein junger Edelmann / welcher nach Leyden / umb seine Studie allda fortzusetzen gesandt worden / war seinen Eltern so bald nicht aus den Augen / daß er sich nicht nach Gewohnheit vieler Jungen Leuten auff allerhand gottloses Wesen begabe / und hieng seinen Eltern bald diese bald jene Lügen auf den Ermel / damit er allezeit Geld erhalten möchte / welches er / an statt /daß er solches auffs Studiren wenden solte / geschwind auff eine andere Manier durchbrachte / indem er täglich die Herbergen besuchte / daher es endlich geschah / daß der Vater müde ward[336] ihn fast alle Tage Geld zu übermachen / und etwas genauer nach seines Sohns Leben zu forschen begunte / und wie er nun vernommen / daß sein Sohn fleißiger nach der Herberge als nach der Academie gieng / verdroß es den alten Herrn so sehr / daß er deßwegen den Sohn gewaltig aushechelte / welcher aber mit Angelobung der Besserung seinen Vater zu frieden stellete. Es waren dieses aber nur Worte / darauff nichts erfolgete / denn der Vater war so bald nicht wieder weggereiset / da fuhr er wieder auff seine alte Weise fort / dieses verursachte dem alten Vater so grosse Bestürtzung und Zorn /daß er ihn vor einen Sohn nicht länger erkennen wolte / und hielt von der Zeit an seinen Beutel vor ihm verschlossen / welches Ursache war / daß der ander / wie er sahe / daß ihm die Wechsel aussenbliebē / seine Bücher / und was ihm vormahls zu seinem Studiren gedienet / zu Gelde begunte zu machen / und behielt nichts übrig von allen dem Seinen / als ein ehrlich Kleid. Jedoch kunte das Geld / so er aus seinen Gütern gelöset / nicht lange aushalten / und sahe daher wol / daß er entweder seine Kosten muste mindern /oder bald in Armuth gerathen.

Wie er nun auff eine Zeit in einer Herberge bey einem Glaß Bier saß / denn der Wein war ihm nun zu theuer worden / sahe er einer jungen Kerl hinein kommen / der Seemaans-Kleider an hatte / so bald war dieser nicht in die Herberge kommen / da forderte er eine Kanne Wein / und fing drauff einen grossen hauffen Geld aus seinen Schiebsacken heraus zu hohlen /darunter güldene und silberne Müntze unter einander gemenget war / wie er dieses ein paar mahl übergezehlet / und die güldene Müntze von der silberne abgesondert hatte / steckt er jedwedes in einem besondern Sack; Der junge Edelmann sahe dieses mit betrübten[337] Hertzen an / und bedachte bey sich selber die Abwechselung des Glücks / indem er sahe / daß ein schlechter Bohtsgesell das Geld in so grosser Menge hette / dahingegen er / welcher von einem grossen Geschlecht und demselben gemäß bekleidet war / kaum so viel hatte / daß er eine Kanne Wein hette bezahlen können. Dieses gieng ihm so zu Hertzen / weil ihm sein voriger Standt vor Augen kam / daß ihm die Thränen wieder seinen willen aus den auch lieffen. Der Bohtsgesell / der sich gleich dem Edelmann übergesetzt hatte / merckte dieses bald / und weil er nicht sehen kunte / daß ein stattlicher Herr so betrübt were /bath er ihn / daß er ihm die Ehre thun wolte / ein Glaß Wein mit ihm zu trincken / welches der ander nach einigen kleinen Entschuldigungen verwilligte. Indem sie nun also von einem Gespräch auff das andere kamen / fragte ihn endlich der Bohtsgesell / was die Ursache seiner Traurigkeit were / und ob kein Mittel were / ihn eines fröhlichen Geistes zu machen? und both ihm zu dem Ende alles an / was in seinem Vermögen were. Der Edelmann / nachdem er ein pahr Seuffzer gelassen / gab ihm zum Bescheid; die meiste Ursache meiner Traurigkeit entsteht daher / weil ich euch so wohl bey Gelde sehe / nicht zwar / daß ich es euch mißgönne / sondern daß ich an meinen vorigen Zustand gedencke / da ich von demselben eben so lebte / als ihr jetzund von eurem lebet / weil ich aber allzu freygebig gewesen und das Geld sehr wenig geachtet / habe ich nun die Gelegenheit verlohren / jemahls darzu wieder zu gelangen / denn mein Vater /welcher durch andere von meinem ungebundenen Leben berichtet worden / schliesset mit Verschliesung seines Beutels mir fast gantz die Kehle zu / und es stehet anjetzo mit mir sehr wohl darnach aus / daß ich in kürtzem[338] werde Hungers sterben müssen / wo ich mich nicht mit andern Rencken behelffe. Hier schwieg der Edelmann still / und der Bohtsgesell vermerckte gar wohl aus seinen Worten / daß der andere leichtlich etwas / was es auch seyn solte / vor die Hand nehmen würde / wenn er nur versichert were / daß er davon Geld bekommen solte / welches ihn denn / weil er einen Rottgesellen von nöthen hatte / verursachte /den Edelmann also anzureden: Mein Herr / das Geld /welches ihr anjetzo bey mir gesehen / ist vor mir nicht viel / wiewol es in euern Augen sehr viel zu seyn scheinen mag / und ich solte keine grosse Schwerigkeit machen / solches mit guten Freunden alles mit einander auff einen Tag zu verzehren / denn ich achte es sehr wenig / weil ich gar leichtlich darzu kommen kan / und so ihr die Kunst köntet / die ich kan / und davon ich so Königlich lebe / ihr würdet euch wenig bekümmern / ob ihr schon auff einen Tag 1000 Gülden verzehret: So ihr Lust habt / diese Kunst von mir zu lernen / und mein Compagnon zu werden / mit Versprechen / mir getreu und verschwiegen zu seyn /so solt ihr Gelegenheit haben / euch euer lebe Tage wegen Armuth nicht zu betrüben / und besser zu leben / als der grösseste Herr / der unter des Königs Gebieth ist. Der Edelmann / den der Geld-Mangel bereits zur Desperation und Verzweiffelung gebracht hatte / verwunderte sich sehr über dieses Mannes Reden / und war froh / daß er ihn angetroffen hatte. Sie verbunden sich darauff mit grausamen Eydschwürē einander in allen getreu zu seyn. Wie dieses geschehen / redete ihn der Bohtsgesell allso an: Das Kleid / welches ihr mich jetzo sehet anhaben / solte euch und viel andere leichtlich glauben machen / daß ich ein Mann war / da nichts hintersey; Ihr werdet aber hierin gröblich irren / denn ich bin nicht[339] gewohnt schlecht gekleidet zu gehen / sondern allezeit so über fürtrefflich köstlich / als es müglich ist / damit ich den Leuten desto mehr von mir zu halten / einbilden mag /jedoch hat ein grosses Unglück / darin ich meinen Compagnen verlohren / mich gezwungen / also wieder meine Gewohnheit gekleidet zu gehen / Morgen aber solt ihr sehen / was ich vor ein Mann bin / sintemahl ich ein Kleid mir zu machen bestellet / dessen sich kein König zu tragen schämen dürffte. Aber zu der Sache selber zu kommen / und euch mit andern Umbständen nicht länger auffzuhalten / so ist mein bestes Handwerck / das falsche Spielen / denn ich kan dasselbe auf allerhand Arten / und in allen Spielen / doch gebrauche ich es nirgends behender und sicherer / als in dem Kartenspiel / welches ich / wenn ich meinen Compagnon bey mir habe / so meisterlich zu thun weiß / daß es unmüglich zu mercken: Jedoch bin ich den Spielern nicht gleich / die umb einen kleinen Gewinst sich öffters in grosse Gefahr stecken / und überall in kürtzer Zeit so bekandt werden / daß sie fast keine Gelegenheit mehr haben / etwas weiter auszugehen und auszurichten. Es ist in der gantzen Welt kein falscher Spieler / der mich kennet / weil ich solch Volck allezeit als die Pest gescheuet habe; Und dieses ist die Ursache / daß ich niemahls verklaffet werden kan / und Gelegenheit habe zu logiren / wo es mir beliebt / welches gemeiniglich in den vornehmsten Wirtshäusern ist. Allda weiß ich meinen Nutz und Gewinn zu schaffen / und das zwar auf einige artige Manier / denn ich lasse mich niemahls mercken / daß ich zu einigem Spiel geneiget bin / und lasse mich fast darzu zwingen / und dieses geschicht darumb /daß ich denen Herren / mit denen ich alßdann spiele /keinen Argwohn oder Nachdencken einiger Falschheit gebe; Denn so ich[340] mich zu den Spielēn geneigt erzeigete / und ihnen viel Geld abgewinne / solten sie bald rathen / wie es mit mir beschaffen / und so dann könte es leicht geschehen / daß mein Leben und die Spitze eines Degens grosse Gemeinschafft mit einander bekämen. Doch diese und andere Erheischungen / so zu unserm Handwerck nöthig sind / wil ich euch bey besserer Gelegenheit vollkommen lehren. Unterdessen ist nun hohe Zeit / daß wir uns Morgen / so bald als ich meine andern Kleider habe / nach Amsterdam begeben / weil es in dieser Stadt vor mir nicht so gar sicher ist / und allda werden wir Gelegenheit haben /wegen der vielen frembden Herren / daß wir unsere Beutel wacker nach unserm Sinn versehen können. Dem jungen Edelmann / der dieses alles mit Feiß angehöret hatte / gefiel dieses alles sehr wohl / und machte sich fertig / des folgenden Tages mit seinem Gesellen zu verreisen / wie sie denn auch des andern Tages sehr früh thäten / nicht ruhende mit Reisen /biß sie nach Amsterdam kommen waren / allda sie in eines der vornehmsten Wirthshäuser in der Warmoestrassen logiren giengen. Daselbst fielen ihnen täglich Gelegenheiten für ihren Profit zu machen / sie ergriffen aber allein die besten Brocken / sonder daß sie sich über ihren Gewinn frölich erwiesen / oder mercken liessen / daß sie etwas gewonnen / und stelleten sich vielmehr / daß sie nur für Gesellschafft spieleten. Es kunte jedoch dieses Werck so behende nicht angeleget werden / daß nicht etliche Herren den Schnupffen darvon in die Nase kriegten / indem sie merckten /daß diese Zween / man spielte auch für ein Spiel was man wolte / gar selten etwas verlohren / sondern fast allezeit grosse Hauffen Geld gewonnen / wodurch sie ihnen vornahmen / genau auff die Sachen acht zugeben. Diese zween falsche Spieler[341] aber / die auch bald Lunten rochen / sahen wol / daß es Zeit begunte zu werden zu verreisen / nahmen ihnen vor / noch eine gute Beute zu hohlen / und damit das weite Feld zu suchen. Nun war hierzu sehr gute Gelegenheit gekommen / indem zween oder 3 Tage zuvor vier Teutsche Herren in dasselbe Wirthhauß zu logiren kommen /welche sie bereits des Abends zuvor / da sie ihnen bey 600 Gülden abgewonnen / fast toll auff das Spiel gemacht hatten / wie nun die Mittags-Mahlzeit geschehen / forderten die 4 Teutsche Herren diese Zween aus zur Revenge wegen ihres verlohrnen Geldes / als welches die andern zu frieden waren. Das Spiel fieng sich an und währete biß in die spähte Nacht hinein / da dann die Teutschen / nachdem sie 300 biß 500 Gülden verlohren hatten / gezwungen wurden auffzuhören / mit Versprechung / daß sie des folgenden Tages Wechsel ziehen solten / und daß sie dann so lange mit einander spielen wolten / so lange es ein Theil würde außdauren können. Die zween falschen Spieler aber hatten weit andere Gedancken / und begaben sich des Morgens sehr früh / nach dem sie / was sie verzehret /bezahlet / auff die Reise / und liessen auff der Taffel /darauff sie gespielet / einen Brieff liegen / mit dieser Uberschrifft:


An die 4 Geldlose Hochteutsche Herren.


Dieser Brieff ward bald gefunden und geöffnet /und stund dieses nachfolgende darinnen geschrieben:


Edle Herrn

Nachdem wir gesehen / daß ihr nach dem Verlust so vielen Geldes übel disponiret seyd / mehr zu spielen /und das Wechsel-ziehen der Teutschen den Holländern gar woll bekandt ist / so haben wir rahtsam zu[342] seyn erachtet / zu verreisen / und ihr Hn. könnet dieses vor ein grosses Zeichen unser Höffligkeit annehmen / denn es geschicht nur darumb / damit ihr uns /die wir die Ursache eures Verdrusses und Armuth seyn / nicht immerdar vor euren Augen sehen dürffet. Es ist uns auch nicht unbekandt / daß das Teutsche Blut gewaltig geschwind an das Auffwallen gerahte /und wenn ihr Herren täglich ein solches Objectum vor Augen sehet / ihr leichtlich wegen allzuhitzigen Geblühts in Unglück fallen möchtet / das vor die gantze Teutsche Nation eine Schande wäre / das ist / wenn ihr Herren euch mit uns / die wir geringern Standes sind / in ein Gefechte einliesset. Urtheilet nun demnach / wie vorsichtig die Niederländer sind / und lernet von uns / daß es euch eine Schande seyn würde /daß ihr euren Zorn über eure Weißheit die Oberhand nehmen liesset / und dencket nicht mehr an das verlohrne Geld / als wenn ihr dasselbe niemahls gehabt hättet / denn es sind nur Weltliche Güter die alle dem Glücks-Wechsel unterworffen sind. Endlich / ihr Herren sollet belieben dieses zu wissen / und haltet uns nicht für übel / daß wir bißweilen vor euer Geld euere Gesundheit tapffer herumb trincken werden / verbleibend inzwischen / nach dem wir uns in Euere gute Gunst bester massen befohlen haben.

Wol-Edle Herrn

Ew. Gestr. allergeringste Diener

N.N. und P.K.

Quelle:
Schau-Platz der Betrieger: Entworffen in vielen List- und Lustigen Welt-Händeln [...]. Hamburg, Frankfurt am Main, 1687, S. 336-343.
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