Fünfzehnte Szene


[124] Grillhofer, Dusterer durch die offene Einfahrt, darauf die Bäuerin aus dem Hause.


DUSTERER. No, Schwoger, is doch recht, daß ich mit bin, gelt ja? Daß d' net mußt so allanig herumsteign! Hon's gleich gsehn, daß mer mitn Wagen net zukönnen. Dös is es oanzige Ghöft an der Lehnten.[124]

GRILLHOFER auf einen Stock gestützt, kommt langsam vor. Jo, jo, kimmt mer aber an weng z' groß für, als daß sich's ließt von oan oanschichtigen Weib bewirtschäften.

DUSTERER. No, no, werdn mer ja sehn, wer darauf sitzt! Wer weiß, was dem versoffenen Unfriedstifter, dem Lenhardt, fürkämma is?! Am End is er noch a verlogener Spitzbua dazu und hat uns nur hergnarrt.

BÄUERIN von innen. Wer is draußt? Tritt unter die Tür. Seids ös es schon?

GRILLHOFER. Gutn Abend!

BÄUERIN. Gutn Abend – was wöllts denn?

GRILLHOFER tritt zitternd näher. Bist du die Riesler – Magdalen?

BÄUERIN keifend, wobei sie aus der Türe den Angesprochenen immer näher tritt. Wer fragt dar nach? Ich frag, wer darnach z' fragen hat?! D' Poltner bin ich, die Bäurin an der Lehnten, hat neamand darnach z' fragen, was ich sunst bin oder war! War allweil a Ruh, hitzt af amal war es Fragens kein End! Vor paar Tägn erst hat a Fuhrknecht da hrumgfragt, daß's orndlich auffällig war, und hitzt kamen wieder oan. Was habts der Riesler – Magdalen nachzfragn? In mein ledigen Tagen is zwischen mir und oan Bauern a Dummheit gwest, is eh schon bald neamer wahr. Is er leicht verstorbn und seids ös vom Gricht und bringts mer a Erbteil?!

GRILLHOFER tritt näher. Magdalen – Donner, fernes Aufleuchten. Kennst mich neamer?

BÄUERIN. Neamd kenn ich!


Aufleuchten.


GRILLHOFER. Bin ja der Grillhofer!

BÄUERIN aufschreiend. Jesses – der Grillhofer! Donner, kleine Pause. Bäuerin äußerst zungenfertig. Was willst denn da? Bringt dich der Fürwitz her, nachschaun? Hon mer's eh gwunschen, ich möcht dir amal alls einesagn kinna! Hast wohl gmeint, es müßt mer so gehn wie mir's von dir aus hätt gehn können? Von dir aus hätt ich amal elendig im Armenleuthaus versterbn mögn, aber der Herrgott hat a[125] rechters Einsehn ghabt, und drei Jahr darnach, wie ich von dir weg bin, hon ich's besser troffa; der alte Poltner hat mich gheirat, und hitzt sitz ich als Bäuerin do am Hof, schau dir 'n an, ob er dem dein viel nachgibt. Hast denn glaubt, ich hätt mich um was anderscht mit dir abgebn, als weil ich vermeint hab, dein Bäuerin segnt bald es Zeitliche und ich kimm an ihrer Stell z' sitzen?! Nöt a so viel – Schlägt ein Schnippchen. –, sixt, war mer sunst an dir glegn!

GRILLHOFER ist erstaunt einen Schritt zurückgetreten. Schwager, zwegn der werd ich mich net zviel am Todbett abiängstigen!

BÄUERIN. Dein Bäurin is aber net so bald versturbn, und wie s' mer hinter mein Trachten kämma is, hat s' all ihre Ersparnus drauf gwendt, daß s' mich loswordn is, denn mit leere Händ war ich net weg, a es Kind hat s' mer verpflegn müssen.

GRILLHOFER. 's Kind!? So war richtig oans auf d' Welt kämma?! Um Gottes wölln, Magdalen, sag mer nur oans: wo dös verbliebn is?!

BÄUERIN etwas bewegt. Kunnt der's net sagen, Grillhofer, wonn i a möcht! A Dirndl is gwest, is mer ja gleich nach der Geburt furtgnummen wordn! Wieder barsch. Such dir's hitzt! Damal hon ich für mich allanig gnug Sorg tragn müssen, und nachert im Ehstand sein nacheinander zwölf Kinder kämmen, und alle – als hätt mich der leidige Höllteufel frotzeln wölln – han af der Linken dein ausdrehten klein Finger mitbracht! Alle rennen s' no af der Welt herum, fünfe hon mer hitzt no auf der Schüssel; meinst, ich hätt noch Lust ghabt, mich ums dreizehnte außer der Eh umzschaun?

GRILLHOFER. Hältst nur oan Fingerzeig ...!

BÄUERIN. Nix hon ich, und jetzt han mer ausgredt! Gsehn hast es, daß mer's geht, wie mer's gehn kann, ich mein, net schlecht, siehst, daß ich da af meinm Eignen bin, und no mach, daß d' weiterfindst samt dein Spießgselln, bevor[126] meine Leut kämmen – wanns net schleunig gnug seids, so mach ich eng Füß und laß dö Hund von der Ketten –

DUSTERER. Hitzt jagt s' uns gar aus!

BÄUERIN. Ratet's a koan, er kam wieder! In meiner Ruhigkeit will ich verbleibn – wie mir hitzt is, is's mir recht – hon mir nie unnötig Gedanken gmacht – brauch koane alten Gsichter z' sehn – brauch dös net!


Ab.


GRILLHOFER. Gehn mer, gehn mer furt! Mir is so schlecht da hrum – Deutet auf das Herz. –, so viel schlecht! Ein Stein war mir hrunter, aber a schwererer druckt hitzt drauf! Ab.


Die Szene, welche nur wenig vom Düster der Gewitterwolken beeinflußt war, erglänzt jetzt im hellen Mondlichte.


Quelle:
Ludwig Anzengruber: Werke in zwei Bänden. Band 1, Berlin und Weimar 21977, S. 124-127.
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