3.

[5] Die Helden sind gewichen aus der Welt

Und Zwerge herrschen, wo die Riesen stritten.

O Israel, du Ceder fest und stark,

Hochragend stolz in aller Völker Mitten,

Dein Wipfel sinkt, du bist verdorrt im Mark.

Der Blätterschmuck des Ruhmes dir entfällt –

O Zebaoth, wie hast du das gelitten?


Dort ruhn, wo sich zum Thal Gilboa neigt,

Die Edelsten in Israel erschlagen;

Die Königsblume hat der Tod gepflückt.

Umsonst die Eichen ja gen Himmel ragen:[5]

Ein Blitzstrahl zuckt – die Helden sind geknickt!

Dein Zorn hat unsre Nacken tief gebeugt –

Wer aber wollte drob zu murren wagen?


Wie Simson nehme ich mein Saitenspiel,

Die heilige Harfe von den Trauerweiden:

Von unserm tiefen Wehe sing' ich gern –

Mag sich der Feind an unserm Jammer weiden!

Doch dann wie Simson laßt uns flehn zum Herrn,

Bis ihres Stolzes Tempel niederfiel,

»Daß unsre Seele sterbe mit den Heiden!«


Ihr Berge von Gilboa, seid verflucht,

Dieweil des Herrn Gesalbter dort erstochen!

Nicht Regen netze euch noch Himmelsthau!

Denn Saul, des Starken, Schild ward dort zerbrochen –

Drum sollt ihr werden wüst und öd' und rauh!

Kein Sonnenstrahl der Helden Gruft besucht,

Bis ihre Schmach, ja unsre Schmach gerochen!


Ich trage Leid um dich, mein Jonathan!

Mein Herz, o Bruder, ist mit dir gegangen.

Die Frauenliebe heilt die Wunde nicht.

Mit diesen Thränen flieht von meinen Wangen

Des Lebens Mai, mein Herz für immer bricht.

Kein irdisch Glück dich mir ersetzen kann:

Du gingst – und Glück und Jugend sind vergangen!

Quelle:
Wilhelm Arent (Hg.), Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig 1885, S. 5-6.
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