Sechster Auftritt.

[194] Die Kriegsräthin Tyche tritt mit einem Lichte ein.


TYCHE. Was rufst du liebes Kind, was machst du mit dem Messer in der Hand? Mit Messern und mit Männern muß man ja nicht allein spielen, ganz unerwartet thun sie uns dann Schaden.

CELINDE. Ach Mutter willst du noch das Leid durch Rath vermehren der mir nicht helfen kann.

TYCHE. Je liebes Kind wie bist du denn, hast du wohl einen Zahn bemerkt der dir verdirbt.

CELINDE. Ach wär es das?

TYCHE. Du hast gut sprechen nun dir keiner wehe thut; hast du dein neues seidnes Kleid zerrissen?

CELINDE. Ich wollte daß all zerrissen wären und daß ich nackt und blos Cardenio gefiele.

TYCHE. Der thut wohl gar noch stolz der Habenichts, je sei doch froh wenn er dich schnell verläßt, was hat er dir dafür geschenkt daß du ihm alles hin gegeben, er ist ein pralerischer Narr.

CELINDE schlägt nach ihr. Ich sag dir Mutter schweig, du darfst mir nicht reden über ihn.

TYCHE. Du ehrvergeßnes Kind, ich glaub du schlügst mich wenn ich dir nahe käme.

CELINDE. Du hättest es verdient, mein ganz Unglück ist deine Schuld, daß du mich für das Sonntagskleid mit Spitzen dem Prediger hast verkauft.[195]

TYCHE. Das muß ich von dir hören! Warum hast du mir damals keinen Vorwurf draus gemacht?

Da schien er dir so lieb, ich durfte gar nicht fragen, das war ein Herzen mit dem selgen Herren Prediger, ich dachte ganz gewiß er nähme dich zur Frau, du schienst ja so vergnügt. Und dann kam der Viren, der war ein guter Herr, da warst du auch vergnügt.

CELINDE. Ich war es auch, bis ich Cardenio gesehn, ach seine Liebe bringt mich noch ins Grab. Schaff Rath, schaff Hülfe!

TYCHE. Gern liebe Tochter, ich weiß ein Wasser, das löschet die Erinnerung der alten Liebe aus.

CELINDE. Was blieb mir dann? Ich lebe ja von der Erinnerung, ich wäre ohne sie schon todt. So ganz verkehrt hast du mir stets gerathen Mutter! Ich will dir sagen was mich beglücken kann, du mußt die Liebe in Cardenio entzünden, die mich verzehrt.

TYCHE. Gemüther sind so leicht nicht unverletzt zu zwingen, mein Liebestrank vernichtet die Vernunft, aller Sinne, wir müssens ihm ganz heimlich beizubringen suchen.

CELINDE. Nein unverletzt mußt du ihn meiner Liebe schaffen.

TYCHE. Was hilft dir die Vernunft, er bleibt darum gleich schön.

CELINDE. Du hast wohl nie geliebt, du hast wohl nie den süßen Reiz in jedem Wort empfunden,[196] was Liebe in dem Geist des Freundes neu erfunden durch den allein wird jegliche Vertraulichkeit dir neu, die sonst nur wär ein ewges Einerlei.

TYCHE. Du bist ein wunderliches Kind, zu meiner Zeit hat noch kein Mädchen so was ausgedacht. Willst du Veränderung und neue Freude, denke doch wie viele von den Herren, die gegenüber in dem Hause wohnen, dir geschrieben und geseufzt und sonst auf tausend Arten ihre Lieb dir kund gemacht.

CELINDE. Dein bin ich ganz Cardenio und keines andern je!

TYCHE. Sein Undank hätte so treue Gunst bei einer anderen nicht verdient. –

CELINDE. Verdient? Welch Mädchen könnte sich hochmüthig überheben, daß sie Cardenio verdient? Er herrschet wo er liebt, ich muß ihm dienen. So ist denn gar kein Rath – so bin ich ganz verlassen – ach Mutter! warum hieltst du den Dolch in meiner Hand zurück?

TYCHE. Du liebes Kind, du ringst dir die Hände wund, laß doch die Noth, du kannst vom Gram die Gelbsucht bekommen. Hast du nur Muth genug, ich weiß durch meine Kunst ein sehr geheimes Mittel, ein einziges, ich habs von meiner Mutter noch und habs an deinem Vater auch versucht.

CELINDE. Ich habe keinen Ausweg.

TYCHE. Nun wohl mein süßes Kind, wer scheuet[197] sich bei einer Überschwemmung auf den Galgen selbst sich aus der Fluth zu retten. Du hast mir Pred'ger Lyrers Tod vertraut, ich weiß, daß er dich treu geliebet hat.

CELINDE. Erinnere mich nicht an jene Nacht, da schien Cardenio so zärtlich mir.

TYCHE. Um seine Liebe zu gewinnen mußt du ihm Lyrers Herz zu leichter Asch verbrannt in Wein, in Speisen beizubringen suchen.

CELINDE. Mir schaudert, doch es sei. Woher das treue Herz entnehmen?

TYCHE. Erschreck nicht Kind, du wirst so blaß, ich komme zu der schwierigsten Bedingung. Gedenke nur, es kostet doch gewiß zuerst dem Scharfrichter recht viele Überwindung, soll er den ersten Kopf vom Rumpf abhauen. Es ist ein lächerliches Bild, doch paßt es gut, denn sieh wie bald ist dieser Widerwille überwunden, bald köpfet er aus Neugier mehr und dann um recht zu zeigen sich, als Arm von der Justiz. So geht es mir, was ich dir sagen werde, das thäte ich aus Lust und nähm dir ab die Mühe, doch darf ich nicht, es nutzte dir zu nichts und nähme dir des einz'gen Mittels Kraft.

CELINDE. So sprich doch Mutter, dies Zögern ist mir schrecklicher als alles Schreckliche.

TYCHE. Ich sag dirs kurz. Du mußt mit eigner Hand das Herz aus Lyrers Leichnam reißen oder schneiden,[198] was mehr was weniger thut nichts, es ist nicht in der Liebe wie beim Kaufmann von Venedig.

CELINDE. Das ist zu viel, du räthst ein Mittel an, das keiner je versuchen mag, weil du kein Mittel weißt. Wie kannst du das erdenken?

TYCHE. Mein Kind dies Mittel ist schon oft bewährt, die harte Noth die unser Leben quält, zwang Seelen himmelan, zu Heilgen wurden sie erhöht, dieselbe Noth zwang Seelen in die Tiefe, daß sie der Hölle Thore aufgesprengt. Die Geister in den Grüften, sie wirken gern noch weiter in die Welt und haben wir den Muth sie zu ertragen, uns ihres Umgangs zu erfreun, dann thun sie gern uns etwas zu gefallen und wirken träumend auch auf andre ein. Denk du wärst ein Mediziner wie jener drüben, der hat in vorger Nacht aus Lieb zum Lernen eine Leiche ausgegraben und jetzt zerlegt er sie mit Lust. Das nenn ich wahre Liebe.

CELINDE. Vergebens räthst du mir, nein ich vermag es nicht.

TYCHE. Vermochtens doch so viele schon, die ohne meinen Rath und ohne diese Mittel viel früher in das Grab als in das Hochzeitbett gekommen wären, ich sage dir, die Leute sprechen gern in unsrer Zeit von Zauberei als wärs ein altes Märchen nur, ich weiß am besten wie viele ihr allein nur Glück und Ehre danken.[199]

CELINDE. So weist du wirklich daß Cardenio mich dann heirathen muß, daß er ganz mein, auf ewig mir gebunden?

TYCHE. Ja freilich liebes Kind, das dunkle Reich erschließt sich nicht für einen Augenblick, wir stehen ewig dann in seiner Macht. Wer weiß ob nicht Olympie dem Cardenio einst gleichen Zauber angethan, er hat, ich weiß es ganz genau, von ihr ein wunderbares Band zu seiner Zitter auf dem Markt erhalten. Wer weiß ob Doris nicht den Zauber sich hat übertragen. Ich schwör darauf es steckt so was dahinter.

CELINDE. Gewiß es ist ihm Zauber angethan, o welche Hinterlist, gewiß ein böser Zauber hielt ihn schon gebunden, da meine Schönheit ihn nicht binden konnte, – und diesen Zauber muß ich stören, die Liebe selbst verpflichtet mich dazu. Ach Mutter! ja ich bin bereit zu allem um ihn mir zu gewinnen, doch sprich wie soll ich zu dem Grab eindringen, wie soll ich heben alle schwere Steine die ihn umschließen bis zum Auferstehungstage, wo er sein Herz doch wird zurückfordern. – Ein Jahr nur mit Cardenio ist mir genug!

TYCHE. Das Grabmahl zu eröffnen ist nicht schwer, es ist erst angefangen, ich kenne auch den Kirchenwächter Kleon ganz genau, der schwarze Mann mit einem Pferdefuß, er ist etwas häßlich doch gescheit, er läßt uns leicht zur Mitternacht hinein, wir hatten schon so viel Verkehr zusammen, ich habe[200] viel von ihm gelernt, der ist ein rechter Meister in der Kunst.

CELINDE. Du bist entsetzlich Mutter, daß du noch andere Verzweiflung hast gekannt als meine, und doch in Mitleid nicht vergehst. O unnatürlich Mittel das dem Natürlichsten, dem Wesen meines Daseins mich entgegenführen soll!

TYCHE. Was ist denn unnatürlicher als eignes Leben zu vernichten, doch warst du schon bereit dazu. Mein liebes Kind, Erfahrung schenkt uns einen wunderbaren Trank, er löschet nie den Durst, doch müssen wir ihn trinken. Beide ab.


Quelle:
Achim von Arnim: Sämmtliche Werke. Band 16, Berlin 1846, S. 194-201.
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