135.

Gegen-Satz.

[282] 1.

Ach! triumphier nicht vor dem Siege/

O Seel/ wo wiltu fliehen hin/

Da dein geblendter Eigen-Sinn

Vor Feinden frey und sicher liege.

Suchstu noch Ruh in äussern Dingen?

Ach! glaube mir/ du findst sie nicht.

Wirstu nicht nach dem innern ringen/

So ists mit dem nicht außgericht.


2.

Laß dein Verlangen weißlich hangen

An jener wahren Einsamkeit/

Die dich erst von dir selbst befreyt/

Wenn du bist auß dir selbst gegangen.

Die Selbst-Lieb muß dich gantz verlassen/

Die Dauben-Flügel müssen dich

In Krafft des Geistes starck erfassen/

Mit Gott verbinden festiglich.
[282]

3.

Drum bleib nur im Gehorsam stehen;

Kein Kriegs-Mann weicht von seiner Post/

Obs auch schon Blut und Leben kost!

Wenn ihn sein Herr dahin heißt gehen.

Der Glaube weiß nicht von eignem Willen/

Er sieht ihm selbst den Weg nicht auß/

Dadurch er Gottes Will erfüllen/

Und auß dem Streit will kommen rauß.


4.

Du bist dir selbst die gröste Plage/

Du trägst noch Babel stäts in dir.

Wiltu noch Ruh geniessen hier/

So laß dir keine süsse Tage

Durch süsse Träume hier vorlegen/

Du machst dich nur mehr mißvergnügt;

Die Liebe Jesu wird dich hegen/

Die alles Wissen überwiegt.


5.

Nun freue dich auff jene Kammer

des Friedens/ da du wohnen wirst/

Wenn dich nicht mehr nach Ruhe dürst/

Und bist befreyt von allem Jammer/

Den hier noch Städt und Wüsten haben/

Und wo du nur wilt fliehen hin.

Die Einsamkeit kan dich nicht laben/

Wenn mit dir zieht dein eigen Sinn.


6.

Du kanst auch mitten im Getümmel

Der Welt den Vatter beten an/

Der dich doch bald erlösen kan/

Wenn dir schon nützte jener Himmel/

Und dich Egypten nicht soll üben/

Daß deiner Treiber schweres Joch

Dich lernte recht den Himmel lieben/

Und dein Verlangen stillte noch.


7.

Da ist ein Canaan zu hoffen/

Kein Paradieß ist mehr allhier.

Es hat noch niemand/ der mit dir

Entfliehen will/ den Zweck getroffen.[283]

Die Hoffnung mehrt sich mit den Dingen/

Die süß und doch unsichtbar sind/

Es muß uns doch zuletzt gelingen:

Bleib nur in Einfalt Gottes Kind.

Quelle:
Gottfried Arnold, München 1934, S. 282-284.
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