144.

Der unbekante Gott.

[287] Melodey: Nur frisch hinein/ es kan so tieff etc.


1.

Verborgenheit/ Wie ist dein Meer so breit Und wundertieff! Ich kan es nicht ergründen. Man weiß kein Maaß noch Ziel noch End zu finden/ So lang man ist in der Vergänglichkeit/ Verborgenheit.
[287]

2.

Die Herrlichkeit/ die du hast allbereit/ den Kindern deiner Lieb hie beygeleget/ Ist sonderlich. Wer diß Geheimnuß heget/ der träget auch zu der elendsten Zeit die Herrlichkeit.


3.

Du selber bist der Brunn/ der ihnen ist In ihrem Geist zum stäten Heyl entsprungen; durch dich ist uns so manches Werck gelungen. Und was nicht leidt ein Maul- und Heuchel-Christ/ du selber bist.


4.

Des Glaubens Krafft Viel Wunder in uns schafft/davon der Heuchler nichts weiß zu errathen/ der blöde Sinn stöst sich an Helden-Thaten/ In dem er nur nach Wort und Schatten gafft/ Und nicht nach Krafft.


5.

Der Liebe Band Ist vielen unbekand/ Wie segnet sich der Geitzige im Hertzen/ Wann er mit Geld die Christen nur sieht schertzen/ das macht/ er kennt nicht Gottes Wunder-Hand in diesem Band.


6.

Wie schnaubt und schilt Laodiceens-Bild/ Wo sich das Feur von Philadelphie findet/ Wo Laulichkeit und Eigenheit verschwindet/ da man das Maas des falschen Urtheils füllt und schmäht und schilt.


7.

Ein Sinnen-Thier Muß wol verstummen hier/ Und Hörn und Sehn und allen Witz verlieren. Vernunfft kan nicht das Schiff allhier regieren. Den Außspruch thut davon zur Ungebühr das Sinnen-Thier.


8.

Darum versteckt der HERR was er erweckt/ Die Kinder gehn nur immer im Verborgen/ Die doch vor kein Gerichte dörffen sorgen/ Biß endlich GOTT die Herrlichkeit entdeckt/ die war verdeckt.

9.

So wandelt Er Im Heiligthum einher Mit leisem Schritt/ Der kan ihn nicht vernehmen/ Wer sich zur Einfalt nicht gern will bequemen. Wie Er sonst nichts zu thun pflegt ungefehr/ So wandelt er.


10.

Was Seligkeit Ist denen nicht bereit/ Durch welche Gott sucht Ehr in ihrer Schande! Gehorsam reist auch durch die stärcksten[288] Bande/ Drum ist ein Grad der höchsten Seligkeit Verborgenheit.

Quelle:
Gottfried Arnold, München 1934, S. 287-289.
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