1.

[93] Der Müller von Pfaffendorf ging einstmals in einer Winternacht aus dem Wirthshause zu Brunnen über den Freythof, den nächsten Weg nach seinem Dorfe. Es war aber eine grimmige Kälte, und er hatte einen Pelzrock an. Da wie er vor der unschuldigen Kindlein Grabstätte vorbei kam, rief er neckend ins Häuslein hinein: Kinderl, friert's enk nit? und ging dann seines Weges fort. Er war aber noch nicht hundert Schritte weiter, als er hinter sich etwas rascheln und rauschen hörte; und wie er umschaute, sah er unzählige Lichtlein, die ihm nachschwirrten. In der Angst seines Herzens warf er den Pelzrock von sich, um geschwinder laufen zu können. So kam er ganz ermattet und erfroren in Pfaffendorf an. – Des andern Tages wollte er seinen Pelzrock holen; er traf ihn aber nicht mehr an der Stelle; wol aber sah er, als er über den Freythof ging, auf jedem Grab ein Flöcklein vom Pelz liegen, so daß er sich das Seinige wol denken mochte.

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Ludwig Aurbacher: Ein Volksbüchlein. Band 2, Leipzig [um 1878/79], S. 93.
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