Elfte Szene

[11] Redlich. Hans. Vorige.


REDLICH. Warum laßt ihr den Menschen da draußen stehen? Er hat einen Brief an mich abgegeben, sagt er. Wo ist der Brief?

THERESE. Hier, er ist von meinem Bruder!

REDLICH bricht ihn auf und liest. Dein Herr will eine schriftliche Antwort haben? Lieber Himmel! Zum Schreiben bin[11] ich nicht aufgelegt; kannst du dir denn nichts Mündliches merken?

HANS. Warum denn nicht? Ich bin ja ein Tiroler und vierzig Jahre alt, hab also den Schnalzer schon g'hört!

REDLICH Nun, so sag deinem Herrn, was er in dem Brief hier verlangt, das kann nicht geschehen, wir sind quitt miteinander, das beweist meines Schwiegervaters Testament. Er hat das Seinige, mein Weib hat auch das Ihrige. Vom Herauszahlen ist keine Rede.

HANS. Das wird meinem Herrn keine Freud sein. Er hat auf das Geld schon gerechnet.

REDLICH. Da hat er, obschon er selbst ein Wirt ist, doch die Rechnung ohne Wirt gemacht. Ich bezahle nichts mehr zurück.

THERESE. Von was ist denn die Rede?

REDLICH. Dein Bruder findet in deines Vaters Verlassenschaft noch einen Schein über fünfhundert Gulden, die uns der Selige vor sechs Jahren geliehen hat. In seinem Testamente steht nun ausdrücklich, alles, was der Vater während seinen Lebzeiten seinen Kindern geliehen hat, soll nach seinem Tode als geschenkt angesehen werden, und nun will dein Bruder die fünfhundert Gulden zurück haben. Daraus wird nichts, sag ihm das, Hansel, ich berufe mich auf das Testament und zahle nichts zurück.

HANS. Ich will's ihm schon ausrichten. Ich bin halt übel dran.

REDLICH. Wieso denn du?

HANS. Nun, das Geld hätt er mir geschenkt, weil ich ehrlich bei ihm gedient hab.

REDLICH. So? Mein Schwager will also, wie 's Sprichwort sagt, den reichen Leuten das Leder stehlen, um den Armen die Schuh daraus machen zu lassen?

HANS. Mich geht das nichts an! Wenn ich nur woanders ein Geld herbekäm! Ich hab eine kranke Mutter in Linz, für die hätt ich's Geld gebraucht.

REDLICH. Mir ist leid, da mußt du dir schon anders helfen. Sag ihm, er soll dich besser bedenken, und komm wieder her.

HANS. Ist recht. Nichts für ungut. B'hüt Gott indes. Geht ab.


Quelle:
Das Wiener Volkstheater in seinen schönsten Stücken. Leipzig 1960, S. 11-12.
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