Elfte Szene

[29] Müller. Staberl.


MÜLLER. Lieber Staberl, ist die Frau Redlich zu Hause? Soeben habe ich ihren groben Flegel von Ehemann aus dem Hause gehen sehen, ich möchte sie so gerne sprechen, denn das Mädel kann ich nicht lassen, wenn es mein halbes Vermögen kosten sollte.

STABERL. Just ist die Madame hineingegangen, einen Brief an Sie zu schreiben, den sie wegen der heutigen Hinauswerfung als gehorsamste Exkusation notwendig findet. Sie wird gleich kommen.

MÜLLER. Gut, so will ich warten.

STABERL. Setzen Sie sich indes nieder; Sie werden noch müde sein – der Tiroler war grob!


Bei der Szene mit dem Tiroler hat Staberl in der Angst den Stuhl, hinter welchem er sich verbergen wollte, auf den Tisch gestellt, dieser steht noch da, und diesen bietet er auch, ohne ihn herabzunehmen, dem Müller zum Niedersetzen an.


MÜLLER. Ich danke.

STABERL. Sagen Sie mir – Er nimmt die Dose heraus und wartet Müllern mit Tabak auf; als dieser schnupfen will, zieht er die Dose zurück. Es ist wahr, Sie schnupfen nicht! – Sagen Sie mir – was hab ich sagen wollen? Ja, sagen Sie mir, sind Sie denn gar so in die Mamsell Katherl verliebt?

MÜLLER. Über alle Beschreibung.

STABERL. Hören Sie auf! In Ihren Jahren? Sie sind ja schon über die Geschichten hinaus.

MÜLLER. Das glauben Sie nur, ich fühle es besser, auch sehe ich älter aus, als ich bin.

STABERL. Kann sein! Sie haben einen brünetten Humor, die Leute sehen immer älter aus. Jungfer Katherl ist ein hübsches[29] Mädchen, ja, wenn ich nur was davon hätte! Sie gefiel mir selber Er lacht. aber heiraten möchte ich sie doch nicht.

MÜLLER. Warum?

STABERL. Ei gehen Säe, so ein junges Geschöpf, mir würde ja völlig angst bei ihr, und was so ein Mädel alles braucht. Die Marschandemode kommt ja nie aus dem Haus.

MÜLLER. Oh, mein Käthchen ist sehr eingezogen.

STABERL. Ja, aber als Frau! Meines seligen Bruders Frau war auch als Braut sehr eingezogen, und nach der Hochzeit hat sie ihm 's Kraut eingebrennt.

MÜLLER. Er wird ein Mann darnach gewesen sein.

STABERL. Nein, er war sauber, grad so wie ich, ein bluthübscher Mensch. Was meinen Sie, was sie ihm getan hat? Vier Wochen waren sie verheiratet, da hat sie ihn schon geohrfeigt, und im dritten Monat bin ich einmal mit ihm nach Hause gekommen grad an seinem Namenstag, er hat Hiesel g'heißen, weshalb er sich einen kleinen Habemus getrunken hat – geht das Weib her und hat ihn ordentlich geprügelt. – Ich wollte dreinreden – was tut sie? Sie geht noch einmal her und prügelt mich auch – damit ich und mein Bruder einander nichts vorwerfen sollen, und wirft mich drauf hinaus. Mich, der ich gar nicht einmal verheiratet war mit ihr. – Sie, das ist doch ein starkes Stück; das wird doch eine Zweideutigkeit sein, spüren S' was?

MÜLLER lacht. Pas war arg!

STABERL. Ich hab mir's aber gemerkt und hab ihr's empfinden lassen. Heimgesucht hätte ich sie nimmer, und wenn sie mich gezwickt hätten; ja, wenn ich was davon hätte!

MÜLLER. Frau Redlich bleibt lange.

STABERL. Da ist sie schon.


Quelle:
Das Wiener Volkstheater in seinen schönsten Stücken. Leipzig 1960, S. 29-30.
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