Vierzehnte Szene

[31] Käthchen. Staberl.


KÄTHCHEN. Bst! Bst! Herr Staberl!

STABERL sieht sich um. Ruft mich jemand? – Sie sind es, Mamsell Katherl, was befehlen Sie denn?

KÄTHCHEN. Herr Staberl, ich halte Sie für einen guten Mann –

STABERL. Ist nicht gefehlt, gut bin ich, sonst hätte ich nicht so viele Fatalitäten.

KÄTHCHEN. Ich möchte Ihnen gerne etwas anvertrauen. Sie sieht sich um. Niemand behorcht uns, Herr Staberl, aber entdecken Sie niemand, was ich Ihnen sagen werde.

STABERL neugierig. Keinem Menschen, solang ich nichts weiß!

KÄTHCHEN. Ich liebe – Sie kennen doch den Gegenstand meines Herzens?

STABERL. Den Gegenstand? Einen Gegenstand lieben Sie? Für sich. Ich glaube gar, sie meint mich.

KÄTHCHEN. Ach, er ist so gut, so bieder – ein Herz, wie es wenige gibt.[31]

STABERL für sich. Ja, ja, sie meint mich. Laut. Nu, nu, der Gegenstand liebt Sie auch wieder! Gott sei Dank, daß er noch ledig ist.

KÄTHCHEN. Was hilft mir das, meine Eltern wollen doch ihre Einwilligung nicht geben – weil er arm ist, aber Armut ist ja kein Verbrechen.

STABERL. Ich kann nichts dafür, ich habe mich schon oft darüber geärgert – aber es nutzt nichts; man darf heutzutag tun, was man will, es gibt nicht aus.

KÄTHCHEN. Genügsame Menschen brauchen doch wenig.

STABERL. Wenn nur der Wein nicht so teuer wäre. Um einen Gulden ist er nicht mehr herunterzukriegen, ich muß mich völlig auf den Talerwein verlegen.

KÄTHCHEN. Trösten Sie ihn daher; sagen Sie ihm, was auch für Hindernisse sich zwischen uns auftürmen, ich weiche nicht; ihn, sonst keinen andern – dem Müller werde ich meine Hand nie reichen, und sollte auch geschehen, was da wolle!

STABERL für sich. Sie ist ordentlich in mich brennt! Wenn ich nur was davon hätte! Laut. Aber wie kommt's denn, liebes Katherl, daß ich noch gar nichts gemerkt habe –

KÄTHCHEN. Muß denn die Liebe immer sprechen? Das Auge sagt oft mehr als der Mund –

STABERL. Es ist auch wahr, Sie haben mich oft bedeutend angeschaut – aber ich Tapperl hab einen so kuriosen Parapluiehumor, wenn's mir nicht auf die Nase regnet, so merk ich nichts. Er nimmt sie bei der Hand und küßt ihr den Arm. Sie Mauserl – nun, nun, sein Sie nur getrost; nach Regen folgt Sonnenschein – weil ich jetzt alles weiß, so will ich mich ganz anders benehmen; Sie kriegen ja heute oder morgen auch ein paar tausend Gulden – damit kann man ja, wenn man g'scheit ist, was anfangen –, und schickt Gott ein Hasel, so schickt er auch ein Grasel.

KÄTHCHEN. Ich muß ihn heute noch sprechen – Sagen Sie ihm, um sieben Uhr soll er vorbeigehen –

STABERL. Schatzerl, das geht nicht an, um sieben Uhr bin ich ja auf der Wache –

KÄTHCHEN. So sagen Sie ihm's früher!

STABERL. Ich muß jetzt schon auf die Wache –

KÄTHCHEN. Sie sind aber gar ungefällig –

STABERL schmeichelt ihr. Nein, nein, mein Tauberl, aber[32] Herrendienst geht vor Frauendienst – ich muß meine Schuldigkeit tun, sonst bin ich ein saumseliger Bürgersmann.

KÄTHCHEN drängt ihn zurück. Lassen Sie mich nur los!

STABERL. Warum denn? Wir sind ja allein – Weiberl, überlaß dich deinem Herzen, tu mir auch schmeicheln.

KÄTHCHEN sieht ihn an. Ich glaube, der Wein operiert bei Ihnen.

STABERL. Ich habe noch keinen Tropfen getrunken. Ja, neulich einmal in Klosterneuburg – Hochdeutsch. Ein Gekuß wäre mir schon lieber als eine Maß Wein. Er wird zudringlich.

KÄTHCHEN stößt ihn zurück. In Ihnen habe ich mich auch geirrt –

STABERL. Ich bitte Ihnen, stoßen Sie Ihren Liebhaber nicht so herum!

KÄTHCHEN. Mein Karl!

STABERL. Chrysostomus heiß ich mit dem Taufnamen –

KÄTHCHEN. So sein Sie nur nicht so einfältig! Während Sie hier plaudern, hätten Sie meinem guten Berg schon längst ein Wort des Trostes sagen können.

STABERL reißt die Augen auf. Wie? Erlauben Sie, wem hätte ich ein Wort sagen können?

KÄTHCHEN. Meinem Karl! Wissen Sie denn nicht?

STABERL. Den Karl Berg tun Sie lieben? Den jungen, schlankelhaft gewachsenen Menschen?

KÄTHCHEN. Nun ja, freilich! Nur einen kleinen Gang machen Sie zu ihm – er wird ohnehin auf Kohlen stehen; er wird warten und harren und in Angst sein, weil er mich seit heute morgens nicht gesehen hat. Lieber Herr Staberl, gehen Sie zu ihm; sagen Sie ihm, wie sehr ich ihn liebe! Trösten Sie ihn! Wollen Sie das tun?

STABERL ganz verblüfft. Wo hab ich meine Ohren?

KÄTHCHEN. Ich will es Ihnen tausendfach vergelten, wenn ich Ihnen einmal wieder dienen kann! – Horch, ein Geräusch, man kommt, also, Herr Staberl – ich verlasse mich! Leben Sie wohl! Sie geht schnell fort.


Quelle:
Das Wiener Volkstheater in seinen schönsten Stücken. Leipzig 1960, S. 31-33.
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