Die Ehe

[202] Große Gunst

Hat es vor Gott und Menschen. Heil'ge Kräfte

Erheben's über alle Willkür. Jedem,

Der's anerkennt, sich's anzueignen weiß,

Verschafft es Glück und Ruhe. Vollbestand

Erwünschter Lebensgüter sind wir ihm,

So wie der Zukunft höchste Bilder schuldig.

Als allgemeines Menschengut verordnet's

Der Himmel selbst, und ließ dem Glück, der Kühnheit

Und stiller Neigung Raum sich's zu erwerben!

Göthe.


Sollte es möglich sein, Etwas über die Frauen zu schreiben, ohne einen Punkt zu berühren, der, man mag dagegen sagen was man will, immer den Brennpunkt des weiblichen Lebens bilden wird? Es ist eine wunderbare Erscheinung, daß grade in neuerer Zeit so manche geistig hochstehende Frauen gegen ein Band protestiren, welches doch am Ende die Wenigsten von ihnen entbehren möchten. Wenn der Mann von seinem freieren Standpunkt aus die Sitten dahingegangener civilisirter Nationen preis't und den Beweis darin zu finden glaubt, daß die Ehe keineswegs von der Sittlichkeit durchaus geboten sei und Staat und Moral auch ohne dieselbe bestehen können, so mag er für sich vielleicht Recht haben. Aber es wäre schlimm für die Frau unsrer Zeit, wenn[202] diese Ansicht allgemein gültig werden sollte. Für sie würde dies gradezu Degradation in jeder Hinsicht sein, und wir brauchen nur auf den Standpunkt hinzublicken, den die Frauen jener Nationen einnahmen, um diese Ansicht für völlig gerechtfertigt zu halten. Die ganze gesellschaftliche Stellung der Frau, ihre höhere Bildung sind einzig und allein aus der Familie und aus der ihr zu Grunde liegenden Ehe hervorgegangen. »Die Frau bedarf eines engen Umkreises, einer bürgerlichen Form, ohne deren Blumenstab diese reinen, weißen Blüthen in den Schmutz des Beetes kriechen. Ein Mann kann ein Weltbürger sein und wenn er nichts mehr in seine Arme zu nehmen hat, seine Brust an den ganzen Erdball drücken, obgleich er nicht viel mehr davon umarmen kann, als ein Grabhügel beträgt, aber eine Weltbürgerin ist eine Riesin, die durch die Erde zieht, ohne Etwas zu haben als Zuschauer und ohne Etwas zu sein als eine Rolle!« sagt Jean Paul mit großer Wahrheit, und wenn sich auch seitdem in fortschreitender Entwicklung der menschlichen Zustände, die Stellung der Frau, gegenüber der Gesammtheit, vielfach geändert, ihr in Folge dessen Aufgaben gestellt sind, die man früher noch nicht allgemein so erkannte, wie jetzt, und wenn wir auch keineswegs der Meinung sind, daß das weibliche Glück einzig und allein in der Ehe zu finden sei, so muß doch jedes wahre Frauenherz offen zugestehen, daß es in seiner höchsten Vollendung nirgends schöner erblühe. Es ist gar nicht zu berechnen, wie tief das weibliche Geschlecht ohne die Institution der Ehe wieder herabsinken würde. Grade die Gränze des modernen Familienlebens garantirt der Frau ihre freieste Entwickelung in dem ihr naturgemäß zugewiesenen Kreise; sie ist beschränkt und doch nicht abgesperrt, Gattin und nicht Sklavin, und so können[203] wir uns keine andere Form denken, welche sie dem Manne so vollkommen ebenbürtig und frei zu Seite stellte, wie denn auch dadurch die Stellung jener Frauen vorbereitet wird, die durch eigenen Fleiß, durch eigene Kraft und Erwerbsfähigkeit sich eine unabhängige Subsistenz gründen.

Sagten wir jedoch soeben, daß die Frau auch als Gattin dem Manne vollkommen frei und ebenbürtig zur Seite stehe, so ist dies freilich heute noch vielfach unrichtig und mehr auf den ideellen Gesichtspunkt der Ehe zu beziehen, auf den Kernpunkt des Kulturfortschrittes, der unläugbar einst in ihrer als heilig begründeten Institution lag. Es ist unendlich viel Schönes und Gutes zu Gunsten der Ehe geltend gemacht worden, was durchaus wahr und richtig ist und sein könnte, es aber häufig darum nicht sein kann, weil menschliche Formen und Einrichtungen, welche dieselben bald einerseits, als ein gottgeheiligtes Band, bald andererseits als einen Vertrag, ja sogar als einen Tausch oder Kauf betrachten, ihr Elemente beigemischt haben, die im Lauf der Jahrhunderte sich stellenweise zu den schreiendsten Widersprüchen und den demüthigendsten Bedrückungen, welchen Letzteren allein die Frau unterworfen ist, entwickelt und bis zu einem directen Gegensatz mit den Fortschritten der Civilisation gesteigert haben. So hat es in neuerer Zeit nie an Stimmen gefehlt, welche diese, ganz im Widerspruch mit dem innersten Wesen der Ehe stehenden, Mißverhältnisse aufzudecken sich bemühten, und am rücksichtslosesten ist dies wohl in Frankreich geschehen, wo eine Gesetzgebung, welche sogar die Scheidung aufhob und die Frau blindlings dem Willen und den Befehlen des Mannes unterwirft, selbst den heftigsten Widerstand rechtfertigt und viele der Irrthümer erklärt, in welche man dort hinsichtlich des[204] ganzen Instituts verfallen ist. Aber auch in Deutschland gab es schon seit lange unpartheiische Beobachter, welche es über dem sittlichen und ideellen Ansehen, das die Ehe verdient, nicht vergessen, wie viel Rohes und Brutales ihr noch aus rauheren Jahrhunderten beigemischt blieb. Hören wir darüber nur eine Stelle aus Hippel's Buch über die Ehe, welches schon vor bald hundert Jahren geschrieben ist: »Da die Weiber ebenso gut Menschen sind, als die Männer, und ihnen gleiche Rechte gebühren, konnte es wohl an Vorschlägen fehlen, beide Menschenklassen auf gleichen Fuß zu setzen? Sie, die Mütter der besten Menschen, die Alles, was groß und edel war, zur Welt brachten und erzogen, sollten immerwährend mit dem schwärzesten Undank belohnt und nicht viel besser behandelt werden, als ob sie Seelenverkäufern in die Hände gefallen wären, indem sie zu lebenslänglicher Sclaverei verurtheilt, nur in so weit glücklich sind, als sie an gute oder böse Herren kommen? Soll denn die zweite, so ehrwürdige Klasse des Menschengeschlechts ewig in der Wiege bleiben, immer mit Spielzeug und kindischen Näschereien unterhalten werden, soll sie immer der Thon sein, der seinen Schöpfer nicht fragen darf: was machest du? überall ohne wesentliche Gültigkeit? Die Geistlichen sagen: meine Brüder! und sterben heißt: versammelt werden zu seinen Vätern!« Wir sehen aus solchen, vielleicht etwas stark aufgetragenen Worten, daß die sogenannte Emancipationsidee der Frauen sehr alten Datums, daß sie vielfach begründet ist, und daß schon früher, als heute, unter den Männern sich lebhafte Vertheidiger solcher Frauenrechte, die mit vernünftigen und gerechten Forderungen im Einklang stehen, aufgethan haben, ja, es ist eine thatsächliche und fast merkwürdige Erscheinung, wie die Vorkämpfer für eine[205] Besserung des Frauenlooses sich gegenwärtig noch zahlreicher unter dem männlichen, als dem weiblichen Geschlechte vertreten finden. Wie könnte dies auch anders sein? Zu einer Art von Lethargie verdammt, nahm die Frau von Geschlecht zu Geschlecht willenlos die ihr überlieferten Zustände an, wie oft auch die Einzelne in der bittersten Weise unter gewohnheitsmäßigen, rechtlichen und gesetzlichen Verhältnissen litt, die ihrer ganzen modernen Stellung zuwiderliefen. Wir sprechen hier nicht allein von den Frauen der höheren Klassen, wir sprechen von allen Frauen, da alle gleichmäßig denselben Gesetzen verfallen sind.

Ganz gewiß ist es darum eine schöne und würdige Aufgabe, der man sich in allen civilisirten Ländern zu unterziehen beginnt, das weibliche Geschlecht aus dem theilweise römisch überlieferten, theilweise mittelalterlich germanischen Wuste herauszuarbeiten, unter dem seine natürlichen, menschlichen Rechte vergraben sind, und die, wir dürfen es unverholen aussprechen, eben weil wir die Ehe und die Familie so unendlich hoch stellen, die Ehe und die Familie häufig zu einer Hölle auf Erden machen.

Wenn man heute noch mannichfach der Ansicht huldigt, der Zustand von Unmündigkeit, in dem sich die Frau in vielen Beziehungen rechtlich befindet, sei nicht allein der Zartheit ihres Wesens angemessen, sondern müsse sogar dankbar von ihr anerkannt werden, so haben die Frauen alle Ursache, solche unzeitige Schonung mit Entschiedenheit zurückzuweisen. Ganz vorzugsweise aber haben die Mütter, die ihre Kinder unter Schmerzen geboren, ein natürliches Recht, daß ihnen andre Ansprüche an den Besitz des Kindes sowohl, wie der Mitwirkung bei dessen Erziehung, als die seither bestehenden, garantirt werden.[206] So wenig aber ein Kind laufen lernt, wenn man es nicht auf die Füße stellt, auch auf die Gefahr hin, daß es manchmal falle, so wenig sollten noch irgend welche Ausnahmsgesetze zu Gunsten der Frauen existiren. Ebenso wenig aber auch dürfte sie im vernünftigen Mitgebrauch des Vermögens, oder des Arbeitsertrages gehindert werden. –


Wir wissen sehr wohl, wie viel schon Männer unter leichtsinnigen und verschwenderischen Frauen mögen geduldet haben, aber es wird zehnfach aufgewogen durch das Leid und den Schmerz edler Frauen, tüchtiger Mütter, die, ohne Schutz durch das Gesetz, sich oft jeden äußeren Mittels beraubt sehen, die gerechtesten, theuersten Wünsche ihres eigenen Herzens oder ihrer Kinder befriedigen zu können, oder die mit offenem Auge den Ruin ihres Hauses hereinbrechen sehen, ohne ihm Einhalt gebieten zu können. – Die erschütterndsten Tragödien erblicken wir nicht immer auf der Bühne – sie spielen sich nur zu oft in der Enge des Hauses und der kurzen Spanne eines Frauenlebens ab.


Ehre darum Allen, die ohne jeglichen frivolen Nebengedanken, nur geleitet durch das Gefühl der Gerechtigkeit, daran arbeiten, daß auch der Frau die ganze Wohlthat des Gesetzes zugewendet, daß sie aus dem Zustande feudaler Abhängigkeit und kindischer Unmündigkeit, in dem sie sich noch mehr oder weniger befindet, erlöst werde. – Fordern wir aber für die Frau die Gleichstellung vor dem Gesetz, so fordern wir auch für sie die Verantwortlichkeit vor dem Gesetz. Erst dann wird sie dem Manne ganz ebenbürtig zur Seite stehen, wird sie sich vollständig als Bürgerin einer staatlichen Gesammtheit fühlen lernen, wenn sie für ihr Thun und[207] Lassen ganz ebenso verantwortlich gemacht wird, wie der Mann, wenn sie die gleiche Härte des Gesetzes und des Rechtes zu ertragen hat, wo sie es verletzt. Wir glauben, daß es für die Charakterbildung der Frau von hoher Wichtigkeit wäre, wenn sie wüßte, daß sie für alle ihre Handlungen ganz ebenso einzustehen habe, wie dies in größerem Umfang bei den Unverheiratheten schon der Fall ist, es würde sie in wirksamster Weise dem Zauberkreis einer erträumten Wirklichkeit entrücken, in der gar Viele nur Ansprüche und keine Pflichten kennen. –

Ganz gewiß aber wird das eheliche Verhältniß weder an Würde, noch an Heiligkeit verlieren, wenn es von zwei Wesen geschlossen wird, welche sich bewußt sind, daß sie nicht einer hergebrachten Gewohnheit, nicht dem Zuge der Leidenschaft allein folgen, sondern auf Grund gegenseitiger Rechte und Pflichten gemeinschaftlich eine neue kleine Welt begründen, deren Aufgaben pflichtgetreu zu erfüllen, sie Beide der vollen menschlichen Kraft und Tüchtigkeit bedürfen. Je länger und eingehender man die menschlichen Verhältnisse beobachtet, je mehr muß man darüber staunen, wie das allerwichtigste Geschäft des ganzen Lebens, das Heirathen, mit der erschreckendsten Unwichtigkeit behandelt wird. Namentlich aber geschieht dies von Seiten der Frauen, und die Oberflächlichkeit der weiblichen Erziehung rächt sich zuerst an den Männern dadurch, daß die meisten Mädchen bei der Verheirathung nur eine höchst unklare Vorstellung davon haben, welche ernsten Verpflichtungen, welche ununterbrochene Aufgabe von Selbstverläugnung und Nachdenken sie damit auf sich nehmen. Uebrigens ist es bei den Männern oft ebenso – das Ernsthafteste, was beide Theile darüber zu hören bekommen, ist häufig nur die[208] Traurede, und auf diese verwenden sie, wie man sagt, in der Regel nicht die geringste Aufmerksamkeit.

Daß eine, im wahrsten Sinne des Wortes, glückliche Ehe nur denkbar ist zwischen zwei Menschen, welche auf gleicher Stufe geistiger und gemüthlicher Entwicklung stehen, wird Niemand bestreiten, und es folgt daraus, wie eine Menge von Ehen unbefriedigt oder unglücklich, ganz einfach darum sein müssen, weil die Leute einander nicht verstehen, weil sie die verschiedenartigsten, geistigen Bedürfnisse, die verschiedenartigsten Empfindungen über eine und dieselbe Sache haben. Beide mögen in ihrer Art gut und trefflich sein, aber es fehlt jedes höhere Verständniß und es muß sich daraus zuletzt entweder ewiger Hader oder traurige Gleichgültigkeit ergeben.

Diese Ungleichartigkeit der Anschauung ist ein so hervorspringender Punkt, daß er sehr wohl, besonders von Seiten der Männer, vor der Hochzeit berücksichtigt werden könnte, wenn man sich deutlich klar machen wollte, welche Folgen sich daraus ergeben müssen. Ungleichartigkeiten des Charakters und des Temperaments sind schon weit schwerer zu erkennen, ehe man in den intimsten Beziehungen zusammen gelebt, aber auch sie werden oft schon lange vor der Ehe erkannt, indessen wie gar viele andere Erkenntnisse auch, mit allgemeinen Redensarten, wie: dies wird sich später schon ausgleichen! die Leute sollen nur erst einmal auf einander angewiesen sein u.s.w., bei Seite geschoben.

Ganz gewiß würde es weit mehr glückliche Ehen geben, wenn die Verlobungszeit, wie sie bei den germanischen Völkern Sitte ist, mehr eine Prüfungszeit wäre, als daß sie gleich als bindend betrachtet wird, und man sich leichter von der lächerlichen Furcht frei machen könnte, eine Verlobung wieder aufzuheben, sobald[209] sie sich als nicht befriedigend herausgestellt. Noch besser freilich als die Verlobung wäre es, wenn jungen Leuten beiderlei Geschlechts mehr Gelegenheit geboten würde, sich in vernünftigerer Weise, als nur auf Bällen und in großen Gesellschaften kennen zu lernen. Wollte man dagegen geltend machen, daß öfter Brautleute, die sich Jahrelang liebten und kannten, doch in der Ehe nicht glücklich wurden, so mag deren Brautzeit, insofern das Mißgeschick nicht von äußeren Verhältnissen herbeigeführt wird, wohl auch reich genug an Stürmen gewesen sein und man scheute sich wohl oft nur, das lösende Wort auszusprechen.

Wie viel indessen auch äußere Umstände zur Verhinderung des ehelichen Glückes beitragen, dies kann gewiß nicht bestritten werden, und um so gebotener muß es wohl erscheinen, diese überall zu bekämpfen, wo eine Möglichkeit vorliegt. Wie dies einestheils geschehen kann durch die Beseitigung veralteter Gesetze, durch das Schaffen von besseren rechtlichen Zuständen, haben wir vorhin schon angedeutet. – Ein anderer, enormer Mißstand aber, der nur zu oft den ersten Grund zu Disharmonien in jungen Haushaltungen legt, könnte gleichfalls leicht durch eine verständigere Erziehung und Einwirkung beseitigt werden. Die meisten jungen Leute sehen es zu wenig ein, wie sie, wenn sie den eigenen Hausstand gründen, immer um eine oder zwei Stufen weiter unten anfangen müssen, als es ihre seitherige Lebensgewohnheit mit sich brachte. Gewöhnlich wünschen und suchen sie so fortzuleben, als sie es bisher gewöhnt gewesen, und dies ist, selbst in reichen Verhältnissen, selten durchführbar. Wie die Eltern, so müssen sich auch die Kinder erst in die Höhe arbeiten, ehe sie sich die Befriedigung aller der Bedürfnisse gestatten dürfen, die[210] sie zu Hause gehabt. Wenn ein junges Mädchen sich täglich der Equipage ihrer Eltern bediente, so wird sie wohl als junge Frau es lernen müssen, zu Fuße zu gehen, wenn ihr Mann nicht ebenso vermögend ist, als der Papa, und der junge Gatte, der bis dahin ein flotter Cavalier gewesen, wird sich jetzt eingehend um Wirthschaftsrechnungen und Hausmiethen zu kümmern haben. – Sehen beide Theile dies nicht ein, so entspringen eben daraus die leichtsinnigen, überschuldeten Haushaltungen, die man wohl nicht mit Unrecht als die modernen bezeichnet, weil man in der That in dieser Beziehung früher solider und einfacher dachte. – Verfehlt sich dagegen nur der eine Theil gegen die Prosa des Lebens, an die man im Liebesrausch so ungern denkt, und leider ist dies öfter, weil sie die Welt zu wenig kennt, die junge Frau, dann muß unausbleiblich endloser Unfriede daraus entstehen, obgleich es auch durchaus nicht an Männern fehlt, die sich einbilden, sie könnten in der Ehe genau so fortleben, wie in ihrem Junggesellenleben, wo sie ihre ganze Einnahme für sich allein verwendeten. Allgemein ist die Klage, daß gegenwärtig zu wenig geheirathet werde, weil es zu schwer sei, einen eigenen Hausstand zu gründen; dem könnte aber sehr wohl abgeholfen werden, wenn man die Ansprüche der jungen Leute beiderlei Geschlechts wieder auf ein vernünftiges Maß zurückführte und das junge Mädchen so erzöge, daß sie eine verständige Frau und Mutter werden kann, anstatt eine bloße Modepuppe aus ihr zu machen. Durchaus lassen wir den Einwand nicht gelten, daß das Lernen, die zu hoch gesteigerte Ausbildung, welche man den Frauen zu geben sich bemühe, sie den häuslichen Pflichten fremd mache und entzöge – dies ist einfach nicht wahr! Die Toiletten, die Vergnügungssucht, die innere [211] Hohlheit und Oberflächlichkeit, die sind Schuld daran, wenn sie ihre Pflicht nicht kennen noch üben – nicht die Bücher, aus denen könnten sie höchstens lernen, daß sie eine Null sind, beklagenswerthe Geschöpfe, nicht werth, daß der heilige Name: Mutter an ihr Ohr tönet, und wirklich nur der »Thon«, aus dem die Laune, nicht allein des eigenen Mannes, jedes ihm beliebige Gebilde formt! –

Ebenso ist es ein Irrthum, anzunehmen, daß die gesteigerte Bildung der Frau sie selbst über die Ehe hinaus emancipiren könne, ohne daß dadurch der zarteste Hauch ihres Wesens hinweggewischt würde. Die Declamationen von der freien Liebe, wie sie uns von Frankreich herüberkommen, wie sie jetzt auch mitunter in Amerika laut werden, wodurch der ganzen gegenwärtigen Frauenbewegung unendlich geschadet wird, können momentanen Anklang finden, aber jede zartfühlende Frau muß sie mit Entschiedenheit zurückweisen, nicht etwa aus Pruderie, sondern weil diese Ideen wirklich dem sittlichen Gefühl zuwiderlaufen. Auch unsre heiligsten und reinsten Neigungen bedürfen einer geschlossenen Form, eines äußeren Haltepunktes, wenn sie nicht in's Regellose auslaufen sollen.

Die Art und Weise, wie man die Ehe in Frankreich abschließt, rechtfertigt beinahe eine Reaction wie die Obengenannte; bei uns hingegen, in den mittleren Ständen wenigstens, beruht sie noch auf ganz anderen sittlichen Voraussetzungen. Sie ist fast immer das Ergebniß einer freien Wahl, selten findet in diesen Regionen ein bestimmter Zwang statt, und der ungehinderte Verkehr zwischen Verlobten läßt auch hier noch eine Erkennung des Ungleichartigen zu. Daß die Ehe zu einem unmoralischen Institut herabsinken kann, und[212] zwar durch die Weise, in welcher man sie oft abschließt, das steht außer Frage, aber dies kann man dem Institut an sich nicht zur Last legen. Ist es die Schuld eines an sich lauteren und reinen Gefäßes, wenn es getrübt oder auseinandergesprengt wird durch den unwürdigen Inhalt, welchen man ihm gibt? Daß unsre moderne Ehe auch im Mittelstande schon von vornherein oft entweiht wird, weil so Viele deren Altar nahen, die unreinen und gleichgültigen Herzens sind, wer könnte dies läugnen? Aber wir fragen nochmals: wo liegt die Schuld? Das Institut der Ehe wird, auch nach Beseitigung der Mißstände, die wir vorhin genügend betont, immer noch außerdem, wie alle menschlichen Einrichtungen, seine mangelhaften Seiten haben, nichtsdestoweniger muß es von denen, die in dasselbe eintreten, heilig gehalten werden, namentlich in Beziehung der Abschließung derselben. Thatsächlich erniedrigt sich die Frau zur Magd, welche in dieselbe eintritt lediglich um dadurch eine äußere Lebensstellung zu gewinnen, seltner um innerhalb derselben das Maß ihrer Pflichten zu erfüllen!

Aber das geordnete Familienleben kann nur aus der reinen und glücklichen Ehe hervorgehen, die Gesellschaft sich nur auf dem Boden der Familie erhalten, der Staat sich nur freier entwickeln durch den Hauch, der aus dem Innern des Hauses hervor die Oeffentlichkeit belebt und durchdringt.

Die Ehe auf ihre Grundprincipien zurückzuführen, zu neuer Heiligkeit zu erwecken, dies ist und muß in der Gegenwart eine der ersten Aufgaben des weiblichen Geschlechts sein. An ihm ist es, jene Form, der die heutige Frau gewissermaßen die Möglichkeit ihrer freieren Entwickelung verdankt, in jeder Weise zu verklären und zu durchdringen mit dem Strahl der sittlichsten Kraft. [213] Die Ehe ehren als die höchste Stufe unsres Glückes und doch sie entbehren können mit zufriedenem Herzen, das sollte der Culminationspunkt jeder ächten weiblichen Erkenntniß sein. Denn in die Pforte des Tempels, dem man sich mit Ehrfurcht nahen sollte, stürzt man nicht mit leidenschaftlicher Hast; nicht der Rausch einer Stunde, kein niedriges Motiv des Ehrgeizes oder der Eitelkeit führe uns an seine Schwelle. Wie Männer denken bei ihrer Wahl für's. Leben, kann uns gar nicht kümmern. Hier an diesem Punkte, ist die Frau Königin allein; das Reich der Liebe und der Neigung ist ihr unbeschränktes Gebiet und wie sie es gestaltet, so wird es sein. Sie gibt ihr Höchstes dahin und hat ein Recht, das Höchste dagegen zu fordern.

Die sittliche Würde und geistige Selbstständigkeit des Weibes sind dazu berufen, die Ehe nicht überflüssig zu machen, sondern sie neu zu adeln und zu erheben. Die Wahl ihres Herzens ist für das Mädchen ein so wichtiger Moment, er entscheidet so häufig über das ganze Glück ihres Lebens, daß wir verlangen, sie soll früh darüber klar gemacht werden, was ihre geistige Natur bedarf, und was ihr entsprechend ist. Eine spätere Einführung in die Gesellschaft, eine längere Dauer des kindlichen Alters wird auch hier die besten Folgen haben. Wir wollen gewiß keine altklugen, aber wir wollen selbstbewußte Mädchen, die nicht bloß unter der Herrschaft einer zu früh erregten Phantasie stehen, sondern wirklich lieben können, weil sie nie zu liebeln lernten.

Die meisten Männer mögen freilich jene jungen Kinder poetischer finden, die das Gefühl ihrer eignen inneren Haltungslosigkeit jedem Manne in die Arme führt, der sich ihnen nähert; die sich einreden, daß sie ohne einen[214] Mann gar nicht bestehen können, ohne sich zu fragen, ob dieser Mann auch nur entfernt dem Ideale, das sie sich von der Männlichkeit entworfen haben, entspricht. Wahrhaftig, diese instinctive, schwächliche Poesie genügt nicht mehr unsrer Wirklichkeit gegenüber; wir müssen das weibliche Ideal in einer höhern Phase der Erkenntniß suchen, wenn es wirklich dazu bestimmt ist, segensreich auf die Gegenwart einzuwirken.

Was soll uns diese unklare, unverstandene Sehnsucht, die nur nach Schattenbildern hascht und in ewiger Unzufriedenheit die thönernen Götzenbilder zerschlägt, sobald sie deren Hohlheit erkannt hat, um die Hand sogleich nach einem Anderen auszustrecken. Wenn das matte Herz sich satt gequält, dann kommt die Idee von der Emancipation der Frau, dann wird der Mann verschmäht, verachtet und doch immer wieder geliebt, und angebetet, und vor lauter Sehnsucht und Liebe und poetischen Schicksalen verfallen solche Naturen grade zuletzt in den gröbsten Egoismus, ohne es selbst zu wissen. Jener Liebe, welche die Freiheit verlangt, mit ihrem Gegenstand zu wechseln, wie es ihr gefällt, welche spricht: »als ich jung war, liebte ich Diesen Mann, aber ich habe mich geirrt, Jener versteht mich besser, ihm will ich angehören« – jener Liebe ist freilich die Ehe lästig und unbequem, und was das Schlimmste ist, sie hat einen Schein von Berechtigung für sich; denn es ist leicht und verzeihlich, daß die Jugend sich täusche, wenn auch unverzeihlich, daß solche Irrthümer daraus erwachsen. Die Behauptung, daß die Ehe unmoralisch werde, sobald sie nicht mehr auf gegenseitiger Neigung beruhe, hat eine große Wahrheit für sich, aber die unmoralischen Consequenzen, welche aus einer willkürlichen Aufhebung derselben entstehen müßten, würden noch weit größer sein. Darum prüfet, ehe[215] ihr euch bindet, und lernt euch vertragen, lernt euch beschränken, dies ist auch eine Wahrheit und jedenfalls sittlicher als die erste. Daß alle Täuschungen des Herzens sich damit nicht aufheben lassen, daß es immer noch unbefriedigte und unglückliche Ehen geben wird, auch wenn sie mit größter Vorsicht und aus reinster Neigung geschlossen werden, steht außer Frage, aber dieses ist der Fluch der Unvollkommenheit, welcher auf allen menschlichen Einrichtungen ruht. Täuschungen treffen das Herz überall mit gleicher Schwere, in und außer der Ehe, und die Mängel, welche sie hier und dort offenbart, reichen nicht aus, um es zu rechtfertigen, daß die weibliche Hand an einer Schranke rüttelt, die ihr sonst so große Vortheile sichert.

Pflegt mit aller Kraft im Herzen der Frau das Gefühl ihrer weiblichen Würde, dies wird ihr in allen Lebenslagen die sicherste Stütze sein. Sollten unsre Mädchen darum wenig poetisch erscheinen, weil das lichte Weiß ihrer Unschuld und Jungfräulichkeit verklärt wird durch die Sonne jenes Stolzes, den wir leider nur zu häufig in der weiblichen Brust vermissen?

Um übrigens die Sache auch von ihrer rein praktischen Seite aufzufassen, so müssen wir zugestehen, daß allerdings in der Ehe neben den Vortheilen, die sie der Frau nach Außen hin gewährt, eine gewisse Beschränkung liegt. Schon mancher hochfliegende, weibliche Geist mag sich an ihren Mauern die Flügel abgestoßen haben, manch schönes Talent daran zu Grunde gegangen sein. Um so nothwendiger ist es, das Mädchen schon frühe über die Bedeutung dieser engeren Gränze aufzuklären. Die verheirathete Frau übernimmt Pflichten, von denen die unverheirathete natürlich keine Ahnung besitzt. Aber die Erstere hat keinen Schein von Recht dazu, sich diesen[216] zu entziehen und doch die Vortheile eines Ehebundes besitzen zu wollen. Wer in der Ehe seine Schuldigkeit nicht thun, sich nicht dem Nächsten unterziehen will, welches angefordert wird, bleibe unverheirathet. Aber diesen Punkt übersehen die meisten Frauen. Der Mann wird vom Gesetze angewiesen, seine Familie anständig zu erhalten; für die Frau gibt es kein solches Gesetz, aber ihre moralische Verpflichtung, das was der Mann erwirbt, im Hause möglichst pflichtgetreu zu verwalten, ist darum nicht minder groß. Keine Genialität, kein Talent, keine Hoheit des Geistes kann sie von dieser einfachen Pflicht freisprechen; sie hat kein Recht dazu, sich glücklich und frei zu machen auf Kosten Derer, deren Beglückung und Wohlfahrt ihr anvertraut ist. Die Frau, welche im Bewußtsein dieser erfüllten Pflicht nicht ihre höchste Befriedigung finden kann, darf die Ehe nicht eingehen, oder sie wird sich einer großen Sünde gegen ihre Familie und die Gesellschaft schuldig machen.

Ebensowenig können wir einer Frau das Recht zugestehen, sich durch Vernachlässigung ihrer Pflichten darüber zu trösten, daß sie in der Ehe nicht die Liebe und das Glück gefunden, welches sie dort gehofft. Fragt der Staat, fragt die Gesellschaft danach, ob der Mann glücklich oder unglücklich verheirathet ist? O nein, er muß darum doch seine Pflichten erfüllen. Das Nämliche gilt von der Frau, und wahrlich keine noch so herbe Täuschung des Lebens kann ein Dasein ganz verwüsten, welches der Pflicht und der Arbeit geweiht ist. Es sind nur die schwachen, nur die unedlen Naturen unter unserem Geschlechte, welche im Leben und in den Romanen diese ewige Komödie vom unverstandenen und getäuschten Herzen aufführen. Wohl sind die Täuschungen des Herzens in Wahrheit die schmerzlichsten Zugaben des[217] weiblichen Lebens, aber sie dürfen es nicht zu Grunde richten.

Ja, die Liebe ist die Grundlage unseres Wesens und macht uns groß und herrlich, aber die Liebe ist unermeßlich und nicht immer dem einen Manne nur soll dieses Liebesbedürfniß sich erschließen. Glücklich preise sich, wer die ächte, die wahre Liebe gefunden, aber Herzen, die sie empfinden können, stehen nie vereinsamt, auch wenn im einzelnen Liebesbunde sie ihnen versagt bleibt. Das Herz der Frau muß es lernen, in der Brust der Menschheit zu schlagen, und die Flügel sind ihr gegeben, welche sie über jede Täuschung emporheben.

Wir sagten vorhin, in den mittleren Ständen sei es selten, daß man ein Mädchen gradezu zu einer Heirath zwinge. Weniger selten ist jedoch der äußere Drang der Verhältnisse, der ein Mädchen nur zu häufig die Ehe schließen läßt, um dadurch eine Versorgung zu finden oder eine Lebensstellung zu gewinnen. Dazu gesellt sich eine Masse unvernünftiger Mütter und Tanten, die dem Mädchen schon als Kind einredet, es gäbe für sie gar kein anderes Glück, als innerhalb der Ehe, und kein Mittel unversucht lassen, um sie in dieselbe einzuführen. Wie verwerflich und demüthigend zugleich diese Methode ist, brauchen wir nicht weiter auseinanderzusetzen; diese Richtung beweist abermals nur, wie nöthig der Welt eine bessere Generation von Müttern sein würde.

Der Zwang, dessen wir zuerst erwähnten, wird aber am sichersten dadurch bekämpft, daß man dem Mädchen durch die Erziehung die Mittel zu eigner Selbstständigkeit in die Hand gibt. Ein Mädchen, welches nichts gelernt und nur eine Masse von Bedürfnissen hat, muß sich freilich danach sehnen, eine sichere Lebensstellung zu erringen. Ohne den Mann ist es eine vollständige Null, es[218] sucht ihn also zu besitzen um jeden Preis. Dort liegt die wahre Gemeinheit der Ehe, gegen die jedes bessere weibliche Herz sich empören muß. Die Untüchtigkeit der Frau ist es, was sie thatsächlich zur Sklavin herabwürdigt, indem sie dieselbe zu einer Ehe zwingt, die nicht höhere Neigung, nicht das Gefühl wahrer Achtung, sondern nur die Angst um die künftige Versorgung schließt.

Und das ist es, was dem Manne zumeist die Achtung vor dem weiblichen Geschlechte raubt. Macht sich die Frau zur leichten Beute eines Jeden, der sich ihr naht, dann ist sie nicht mehr die Gebieterin, sondern der Spielball des männlichen Geschlechts. Wo ist jener schöne Glaube hingekommen, daß die höchste Gunst des Lebens die Gunst einer edlen Frau sei? Was liegt dem Manne daran, ob er tugendhaft und gerecht, rein und würdig sei, dazu befähigt, ein ächtes weibliches Herz zu besitzen und zu beglücken? Sei er noch so gemein, noch so niedrig, noch so unwahr und lasterhaft, er scheut sich nicht, seine Hand nach den Schönsten und Lieblichsten unseres Geschlechts auszustrecken, und Viele schaudern nicht davor zurück, die Ihrige hinein zu legen. Stärkere und selbstbewußtere Frauen müssen wir der Welt erringen, damit ein neuer Hauch der Begeisterung von der Würde und dem Werth des Weibes sie durchdringe und veredle. Der Mann soll dem Weibe ebenbürtig werden an Tugend und fester Gesinnung, innerer Wahrheit und menschlichem Stolze, ehe er daran denkt, sie zu besitzen. Ein ächter deutscher Sänger ruft der Frau das zu, was sie nie vergessen sollte:


Und drum dem Schlechten, Feigen,

Dem Lügner und dem Knecht,

Ergebt euch nicht zu eigen,

Dann siegt von selbst das Recht.[219]


Quelle:
Luise Büchner: Die Frauen und ihr Beruf. Leipzig 41872, S. CCII202-CCXX220.
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