28. Junker Ludwig bei Eger.

[141] Um Eger läßt sich, auf dem Felde, nahe bei selbiger Stadt, nicht selten ein Gespenst in Gestalt eines Mannesbildes sehen, welches die Leute den Junker Ludwig nennen, weil einer des Namens ehedessen da gelebt und die Gränz- und Mark-Steine des Feldes betrüglich verrückt haben soll, weswegen er, bald nach seinem Tode, angefangen umzugehen und die Leute durch seine Begegnung zu erschrecken.

In jüngern Zeiten hat die Gewißheit solcher Erscheinung eine Jungfrau erfahren. Dieselbe geht einstmals allein vor dem Thore, in selbiger Gegend, die dieses bösen Junkers wegen so berüchtigt ist, und wie sie ungefähr an die Stätte kommen, wo der Markstein, wie man sagt, verrückt sein soll, wandelt ihr ein solcher Mann, wie ihr vordem mehrmal die Gestalt des Junkers Ludwig beschrieben worden, entgegen, geht auf sie an und greift ihr mit der Faust in den Busen, wovon dieser gleich ganz schwarz worden, das Gespenst aber verschwunden ist.

Sie geht hierauf, in tiefster Entsetzung, heim zu den Ihrigen, spricht, sie habe ihren Theil und findet sich's, daß ihre Brust ganz erschwarzt gewesen. Sie[142] hat sich noch selbigen Tages zu Bette legen müssen und ist am dritten Tage verschieden.

Quelle:
Johann Gustav Büsching: Volks-Sagen, Märchen und Legenden. Leipzig 1812, S. 141-143.
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